Im Lukasevangelium spricht Johannes der Täufer: „Er (Jesus Christus) wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen.“ (Lk 3, 16) Heiliger Geist und Feuer, das klingt kurz vor Weihnachten schon sehr pfingstlich. Schon bei unserer Taufe und der Hl. Firmung wurden wir mit dem Heiligen Geist beschenkt. Heiliger Geist und Feuer bedeuten eine Dynamik, in die ich mich hineinstellen kann und die mich mitreißen kann. Für den Täufer Johannes bedeutete das konkret: teilen, maßhalten in allen Dingen und gerecht handeln. So berichtet es das Sonntagsevangelium. Der Apostel Paulus sagt es so (vgl. Phil 4,4): Eure Güte werde allen Menschen bekannt. Wenn das in den Lebensalltag übersetzt werden kann, entsteht eben jene Freude, von der am Sonntag der Freude (Gaudete = Freut euch) die Rede ist. Mit dem Täufer Johannes blicke ich auf Jesus, der seine Kirche in unserer Zeit motivieren will mit seinem Geist und mit seinem Feuer den Glauben zu leben.
Stefan Notz
Der 8. Dezember wird in der Kirche im allgemeinen als Fest „Mariä Empfängnis“ bezeichnet. Offiziell heißt es: Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria. Die Gottesdienstordnung räumt dem Advent allerdings den Vorrang ein. Deshalb wird das Hochfest der Gottesmutter in diesem Jahr auf den Montag verschoben. Maria wird vom Engel Gabriel aufgesucht. Die Botschaft lautet: Du bist voll der Gnade. Du sollst schwanger werden und einen Sohn gebären; dem sollst du den Namen Jesus geben. Viele Menschen tragen ihre Sorgen und ihre Lebenslast zu Maria. In unserem St. Viktor Dom werden beim Marienbild täglich Kerzen angezündet in den Anliegen der Beterinnen und Beter. Wer, wie Maria, zutiefst in Gott verwurzelt ist, der kann anderen Menschen Heimat geben, Heimat bei Gott. Der 8. Dezember, Fest Marias, ohne Erbsünde empfangen, ist das Fest des neuen Anfangs, den Gott mit uns Menschen macht. Für mich ist dieses Fest eine Quelle der Hoffnung. Gott lässt uns nicht allein. Er kommt uns entgegen.
„Richtet euch auf und erhebt euer Haupt, denn es naht eure Erlösung“. (Lk21,28) Jedes Jahr bedeutet die Adventszeit einen Einschnitt, um innezuhalten und zu bedenken, was uns trägt und hält, was unserem Leben Sinn und Richtung gibt. Die biblischen Lesungen sprechen vom „Ende der Welt“. Diese Redeweise erinnert daran, dass die scheinbar sicheren Ordnungen, auf die wir uns meistens verlassen, vergänglich sind. Der Theologe Tomàs Halík schreibt: „Die Erfahrung einer Zeit, in der Gott nicht anwesend zu sein scheint, fordert heraus, neu und radikaler die Nähe Gottes zu entdecken und die »falsche Nähe« beziehungsweise die »Nähe der falschen Götter« zu demaskieren. Die göttliche Nähe Gottes zu entdecken - oder überhaupt nach ihr zu fragen - setzt jedoch voraus, mit vollem Ernst seine Verborgenheit, seine Distanz am eigenen Leib zu verspüren. Ohne diese Erfahrung könnten wir den Gott des christlichen Glaubens leicht mit einem jener banalen Götzen verwechseln, von denen die Auslagen und Stände der religiösen Anbieter heute voll sind.“ Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Advent 2024.
Stefan Notz
Der letzte Sonntag im Kirchenjahr ist der Sonntag Christus-König. Im Prozess vor Pilatus spricht Jesus: „Ich bin ein König, aber mein Königtum ist nicht von dieser Welt.“ (Joh 18,36) Bei A. Grün lese ich: „Der Archetyp des Königs meint, dass ein Mensch selbst lebt, anstatt von außen gelebt zu werden, dass sie oder er in sich steht, mit sich im Einklang ist. König ist jede und jeder, der in sich Ordnung schafft, der nicht nur das äußere Reich, sondern auch den inneren Bereich seiner Seele in einer guten Weise strukturiert.“ In der Feier der Heiligen Taufe sind wir gesalbt worden zu „Königen“. Das Königliche stammt von Gott. Es ist nicht von dieser Welt. Die Welt hat auch keinen Zugriff darauf. Daher sprechen wir in einem anderen Zusammenhang von der „unantastbaren Würde des Menschen“. Das Christ-König-Fest erinnert und stärkt unsere menschliche Würde. Als Königin und König darf ich Verantwortung übernehmen für das Land, das Gott mir anvertraut hat. Das ist kein äußeres Land, sondern eine Familie, eine Gemeinde oder eine Aufgabe, die mir anvertraut ist. Das ist auch das innere Land der eigenen Seele mit seinen Höhen und Tiefen. Könige sind Menschen, die aufhören andere für die eigene Situation verantwortlich zu machen und ihr Leben selbst in die Hand nehmen.
Stefan Notz
„Die Sonne verfinstert sich und der Mond scheint nicht mehr.“ Das Markusevangelium wählt ein kosmisches Bild für das Ende, für unser Sterben und unseren Tod. Nicht aus menschlichem Vermögen geschieht Rettung. Diese kommt vom Himmel: „Dann wird man den Menschensohn in Wolken kommen sehen, mit großer Kraft und Herrlichkeit.“ vgl. Mk13,26.Von daher versteht sich das Gleichnis vom Feigenbaum. Wie der aufblühende Feigenbaum den nahenden Sommer ankündigt, so sind wir dem Geheimnis unserer Rettung ganz nahe, wenn die Not einer Krise – der Tod - uns schüttelt. Wer von der nahenden Rettung Gottes etwas ahnt, der sieht das Zerbrechen alles Gewohnten gar nicht im Vordergrund: Mögen Himmel und Erde vergehen, das heißt, wenn auch das ganze Gewölbe meiner Ideale und Überzeugungen einbricht – immer noch habe ich Jesus und seine Worte, die immer zum Gottvertrauen einladen. Wer sich daran hält braucht nicht auf Tag und Stunde zu schauen, denn nicht einmal die Engel kennen die letzte Stunde – nicht einmal der Sohn, sondern nur der Vater. Das genügt. Ich darf vertrauen, dass mein letzter Tag und meine letzte Stunde nicht meinen Untergang bedeuten. Gott hält mein Leben und mein Sterben, meine letzte Stunde in der Hand. Wie der aufblühende Feigenbaum den nahenden Sommer erwarten lässt, so „erkennt auch ihr, wenn ihr das geschehen seht, dass ER nahe vor der Tür ist“.
Stefan Notz
Immer wieder übt Jesus heftige Kritik an den Theologen seiner Zeit. „Nehmt euch in Acht vor ihnen! Sie fressen die Häuser der Witwen auf und verrichten in ihrer Scheinheiligkeit lange Gebete.“ (vgl. Mk12,40) Es bedarf nicht des schönen Scheins. Auf jede Form von Scheinheiligkeit, insbesondere in der Kirche, reagieren Menschen allergisch. Was aber macht den Menschen zur Christin bzw. zum Christen? Es geht darum wie wir auf Gottes Liebe antworten. Nicht irgendetwas sollen wir Gott geben, sondern wir sollen uns selbst hingeben und verschenken. Ich glaube diese Hingabe geschieht dann, wenn es mir gelingt ganz da zu sein, wo ich mich hingestellt finde. Jeder Tag bietet neue Konstellationen in Beziehungen und Konflikten, im Gelingen und im Scheitern. Wenn ich mit ganzer Aufmerksamkeit auch in den banalen und gewöhnlichen Augenblicken dabei bin, gebe ich Gott die Ehre. Hingabe vollzieht nicht der, der sich einkapselt in frommem Tun, sondern wer das Hier und Jetzt seines Lebens – wie er eben ist – als persönlichen Ruf Gott auffasst. Das kann ich zum Beispiel beobachten bei einer Verkäuferin, die freundlich bleibt, obwohl sie dem Kunden zum vierten Mal erklären muss, dass sein Sonderwunsch sich nicht erfüllen lässt. Die Kritik Jesus an den Theologen ist hart. Sie ergehen sich im groß tun und meinen groß sein zu müssen. Durch groß tun mache ich mich selbst arm und traue Gott nicht zu, dass er die Welt erneuern kann.
Stefan Notz
Gottesliebe und Nächstenliebe gehören zusammen. Für Jesus, so lese ich es im Markusevangelium (Mk12,33), ist der Mensch zur Liebe gerufen mit ganzem Herzen, ganzem Verstand und mit ganzer Kraft. Liebe geht nicht nebenher. Liebe fordert den ganzen Menschen. Sonst ist es nicht Liebe, sondern nur ein Baden in den eigenen Gefühlen. Sowenig wie es Kinder gibt, die gedankenlos spielen, weil man nur ganz ins Spiel versunken wirklich spielen kann, genauso gibt es keine wirklich Liebenden, die das nicht mit allem täten, was ihnen zur Verfügung steht. Die Frage eines Bibelgelehrten nach dem wichtigsten Gebot beantwortet Jesus mit dem Urglaubensbekenntnis des Gottesvolkes: „Höre Israel, der Herr, unser Gott, ist der einzige Herr. Du den Herrn, deinen Gott lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deinen Gedanken und all deiner Kraft. Und du sollst deinen Nächsten und deine Nächste lieben wie dich selbst. Kein anderes Gebot ist größer als diese beiden. (vgl. Mk 12,30). „Höre, Israel!". Wenn gläubige Jüdinnen und Juden das Glaubensbekenntnis sprechen, legen viele von ihnen die Hand über die Augen. Damit schützen sie sich vor Ablenkungen, denn auf dieses Gebet wollen sie sich ganz konzentrieren. Liebe geht nicht nebenher oder mit halber Kraft. Sie verlangt das ganze Herz.
Stefan Notz
Ein Blinder kann den Sehenden die Augen öffnen. Das Markusevangelium berichtet von der Begegnung Jesu mit Bartimäus. In Jericho stehen zahllose Menschen am Straßenrand und fragen sich, wer dieser Jesu sei? Der, der nichts sieht, der blinde Bartimäus, hat offenbar längst begriffen, wer Jesus ist. Er spricht ihn einfach an und vertraut ihm alles an, was ihm auf dem Herzen liegt: „Du, Jesus, Sohn Davids, hab Erbarmen mit mir!“ Während die Sehenden noch diskutieren, ob das am Sabbat erlaubt sei und wie man den Blinden zum Schweigen bringen könne, belehrt Jesus sie alle: Genau wie dieser Blinde muss man es machen! Um mit Jesus zu sprechen, müssen keine Voraussetzungen erfüllt sein: man braucht niemanden, der einen Kontakt herstellt oder eine Erlaubnis erteilt. Manchmal haben die, die nicht sehen können, mehr Durchblick als die sogenannten Fachfrauen und Fachmänner. Der Glaube hat Bartimäus gerettet. Ein gutes Gebet für die neue Woche: Herr, öffne uns die Augen, damit wir dich erkennen. Schenke uns ein sehendes Herz. Dann erkennen wir in dir den verborgenen Gott – mitten unter uns Menschen.
Stefan Notz
„Wer bei euch groß sein will, der soll dienen. Wer der erste bei Euch sein will, der soll der Sklave aller sein.“ (Mk10, 43-44) Das ist echte Frohbotschaft, die Jesus verkündet. Menschen denken : Gott oben – wir unten; er stark – wir schwach; er ewig – wir vergänglich. In Jesus kehrt sich das alles um: In ihm geht Gott ganz nach unten, bis in den Abgrund des Todes, um die Niedergedrückten aufzurichten. Jesus macht sich als erster zum Diener aller mit allem, was er hat – mit sich selbst. Ich denke an Papst Franziskus, der immer wieder den Klerikalismus in der Kirche kritisiert. Wenn es um Priester geht, beginnt eine klerikale Haltung dort, wo jemand vor allem an sich interessiert ist und nicht am Volk Gottes, zu dem auch der Priester gehört und für das er als Priester da sein soll. Entscheidend ist hier nicht die Selbstwahrnehmung des Priesters, sondern die Erfahrung, die andere mit ihm machen. Früher war der Priester als „Heiliger Mann“ in der Regel unkritisierbar und unberührbar. Heute verschaffen sich die Erfahrungen von Menschen richtigerweise Geltung. Besonders sichtbar ist das im Kontext der Missbrauchsfälle. Papst Franziskus markiert treffsicher den Klerikalismus als Gestus der Erhabenheit und der Abwertung der anderen. Deshalb ist das Wort aus dem Sonntagsevangelium für mich so wichtig. Es erinnert mich daran, dass alle Getauften – auch die Priester – die grundlegende Aufgabe haben „Zeichen und Werkzeug der Liebe Gottes“ zu allen Menschen zu sein. „So ist auch der Menschensohn nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben….“ (10,45)
Stefan Notz
Der Evangelist Markus schildert eine Begegnung. Ein Mann läuft auf Jesus zu. Er stellt Jesus die Lebensfrage schlechthin. Es geht ihm um ewiges Leben. Alles andere hat er wohl schon. In jeder Hinsicht. Reichtum, materielle Unabhängigkeit, Ansehen. Was aber ist gemeint mit ewigem Leben? Im Credo der Kirche heißt es: Ich glaube an das Ewige Leben. Die Theologie spricht vom Leben, insbesondere vom ewigen Leben, vom Leben der kommenden Welt. Sie redet von Hoffnungen über den Tod hinaus. Die Biologie spricht auch vom Leben, vom Leben vor dem Tod, vom verlängerten und optimierbaren Leben etwa durch KI oder Biotechnologie. Theologen sprechen von Hoffnungen, Biologen von Fakten. Ich hoffe, dass Gott den Tod in Leben verwandelt. Das alles Enden zur Vollendung wird und der Untergang des alten zum Aufgang eines neuen Lebens ohne die Begrenzung durch Raum und Zeit. Im Schlussgebet der Heiligen Messe vom 28. Sonntag im Jahreskreis betet die Kirche: „Gib uns durch dieses Sakrament auch Anteil am göttlichen Leben.“ Er, unser Gott, tut es. Darauf hoffe ich.
Stefan Notz
„Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast.“ So antwortet Maria gemäß dem Evangelium des Lukas (Lk 1) als der Engel Gabriel zu ihr spricht: Freue Dich, Gott ist mit Dir! Im Rosenkranzgebet wird das Leben Jesu betrachtet. Durch die Wiederholung, die ein Kennzeichen dieser Gebetsweise ist, geschieht Verinnerlichung. Das bedeutet geistlichen Gewinn für die Beterinnen und Beter seit Jahrhunderten und auch in der Gegenwart. Das Rosenkranzfest wird am 7. Oktober gefeiert. In Marienbaum bildet es jedes Jahr den Abschluss der Wallfahrtszeit. Das Rosenkranzfest gilt nicht dem Rosenkranz selbst, sondern Maria, der Rosenkranzkönigin. Das Fest wurde 1572 eingeführt und 1716 in den Kalender für die ganze Kirche übernommen. Der Gruß des Engels gilt jedem, der, wie Maria, das Herz öffnet für Gottes Wort: „Sei gegrüßt, du bist voll der Gnade; der Herr ist mit dir.“ Als Maria einmal selbst davon sprach, was Gott an ihr tut, da hat sie gesungen: „Meine Seele preist die Größe des Herrn und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter.“ Mit Maria können wir mit diesen Worten singen und beten, damit wir nicht vergessen, was Gott tut und was wir erwarten dürfen.
Stefan Notz
Wahrscheinlich gibt es kaum eine Stelle im Evangelium, die schwieriger zu deuten ist als die Rede Jesu (Mk 9,38-48) mit ihren drastischen Bildern: Es sei besser für den Sünder mit einem „Mühlstein um den Hals ins Meer geworfen“ zu werden oder es sei besser „verstümmelt in das Leben zu gelangen, als mit zwei Händen in die Hölle zu kommen.“ Wie verstehe ich Rede Jesu? Jesus will uns klar machen: Wir haben keinen Grund das Böse zu verharmlosen. Es greift immer wieder tief in unser Leben. Das Böse beschädigt und zerstört Leben. Wir verlieren unsere Menschlichkeit. Jesus warnt daher so eindringlich, weil es um unser Wohl und Wehe geht, um unser Bestehen vor Gott, an dem alles gelegen ist. Jesu Ruf zur Entschiedenheit für das Reich Gottes schränkt unsere Freiheit nicht ein. Im Gegenteil, das Evangelium öffnet eine Großzügigkeit, wie sie Menschen einander nur selten gewähren. „Wer nicht gegen uns ist, der ist für uns.“ Gut und Böse sind zu unterscheiden. Wir tun gut daran auf Jesus zu blicken – und in ihm den Eingang zu jenem Leben zu finden, das er zusagt.
Stefan Notz
Wer bei euch groß sein will, sagt Jesus im Evangelium des Sonntags (Mk9, 35), der soll tun, was Er getan hat. Manchmal lese ich, dass damit die Gesinnung des Dienens gemeint sei. Dagegen erhebt Bischof em. Franz Kamphaus Widerspruch: Jesus hat uns nicht durch seine Gesinnung erlöst, er hat „sein Leben hingegeben als Lösegeld für viele“. Nachfolge erschöpft sich nicht im Nachsinnen. Wir müssen uns in Bewegung setzen, aufbrechen zu einem neuen Verhalten, das neue Verhältnisse schafft. Soweit der Gedanke von Bischof Kamphaus. Jesus sucht keine Effekte oder spektakuläre Ereignisse. Jesus nimmt ein Kind in seine Arme. Damit demonstriert er, was sein ganzes Dasein verkündet: Gott zeigt seine Größe darin, dass er absteigt vom Himmel in die irdische Lebenswirklichkeit von uns Menschen und sich dadurch verletzbar macht. Ein Kind ist verletzlich und schutzbedürftig. Ein Kind muss um Sorge und Annahme bitten. Damit ist das Kind das reale Symbol Gottes. Alles Tun und Lassen als Kirche und als individuelle Christenmenschen kommt nicht am Vorbild Christi vorbei: „Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit ihr so aneinander handelt, wie ich an euch gehandelt habe.“ (Joh 13)
Stefan Notz
Im Markusevangelium (Mk 8,27-35) gibt Petrus eine gute, eine sozusagen korrekte Antwort auf die Frage Jesu für wen seine Jünger ihn halten. „Du bist der Messias“. Zur Zeit Jesu haben sich viele den Messias vorgestellt als eine Art Wundertäter. Der Messias würde das unterdrückte Israel von den Römern befreien, so war die verbreitete Erwartung damals. Kaum hat Petrus das Bekenntnis ausgesprochen, stoppt ihn Jesus. Er verbietet die Verwendung des Messias-Titels. Stattdessen weist Jesus auf sein Schicksal hin: viel Leiden, Verwerfung, Tötung und Auferstehung. Petrus, der nichts von alledem hören will, wird als „Satan“ weggeschickt. Jesus enthüllt in dieser Szene das entscheidende Werk seiner Sendung: die Hingabe seines Lebens. Er gibt sein Leben nicht nur für die Jünger, sondern für alle, die ihm glaubend folgen. „Wer sein Leben retten will, wird es verlieren.“ Es geht um die volle Hingabe seiner selbst, sei es an Gott oder sei es an den Nächsten. Die Heilige Taufe und die Heilige Firmung besiegeln uns mit dem Zeichen des Kreuzes. Im Zeichen des Kreuzes Jesu Christi können wir die Kraft gewinnen unser Leben einzusetzen, damit wir es in Gott gewinnen.
Stefan Notz
Am 8. September begeht die katholische Kirche das Fest Mariä Geburt. Normalerweise werden die Todestage der Heiligen begangen, also die Geburtstage zum Himmel. Nur von drei Personen wird der Tag der Geburt in das irdische Leben gefeiert: Jesu Geburt am 25. Dezember; die Geburt Johannes des Täufers am 24. Juni und Mariä Geburt am 8. September. Die Bibel erwähnt an keiner Stelle die Geburt Mariens. Ein außerbiblisches Zeugnis (Protoevangelium des Jakobus) erzählt von der Empfängnis und der Geburt Mariens. Nachdem die Eltern Joachim und Anna lange kinderlos geblieben waren, bekamen sie bei einem Gebet im Tempel in Jerusalem die göttliche Zusage, noch im hohen Alter ein Kind zu bekommen. Anna brachte eine Tochter zur Welt und nannte sie Maria. Ein altes Lied besingt die Geburt Mariens sowie die Geburt Jesu in Anspielung auf einen Text des Propheten Jesaja (Kapitel 9,1) Es ist ein Ros entsprungen, aus einer Wurzel zart, wie uns die Alten sungen, von Jesse kam die Art. Und hat ein Blümlein bracht mitten im kalten Winter, wohl zu der halben Nacht. Das Röslein, das ich meine, davon Jesaja sagt, ist MARIA, die reine, die uns das Blümlein bracht. Aus Gottes ew´gem Rat hat sie ein Kind geboren und bleib doch reine Magd. (vgl. Gotteslob 243)
Anmerkung: Die liturgische Ordnung gibt den Sonntagen im Jahreskreis den Vorrang vor den Heiligenfesten. Daher wird in diesem Jahr der 23. Sonntag im Jahreskreis gefeiert und nicht das Fest Mariä Geburt.
Stefan Notz
Die Glaubens- und Gebetspraxis kann veräußerlichen. Diese Gefahr war wohl schon in der Gemeinde des Evangelisten Markus gegeben. Was den Menschen „unrein“, das heißt gottunfähig macht, kommt von innen, aus dem Herzen des Menschen. Es gibt nichts Äußeres, dass den Menschen unrein macht. Jesus streitet mit den Pharisäern. Einige Jünger Jesu essen Brot ohne die vorgeschriebene Reinigung der Hände. Daher die vorwurfsvolle Frage an Jesus: warum halten deine Jünger sich nicht an die Tradition? Sichtbare Gesten und Frömmigkeitsformen erleichtern den Glaubensvollzug, damals und heute. Manchmal kommt es aber zum Streit. Zur Zeit Jesu waren es Reinigungsvorschriften. Heute sind es zum Beispiel Diskussionen um den Kommunionempfang: Handkommunion oder Mundkommunion, Knien oder Stehenbleiben? Wie soll ein Priester gekleidet sein? Priesterkragen oder Krawatte? Äußere Stützen des Glaubens können ein Gewicht bekommen, dass sie statt den Weg zu Gott zu ebnen zu „Heiligen Kühen“ werden. Dagegen wendet sich Jesus: „Nichts, was von außen in den Menschen hineinkommt, kann ihn unrein machen, sondern das Böse kommt von innen und macht den Menschen unrein.“ (Mk 7,15) Auch für die Kirche ist damit der Maßstab gesetzt. Sie muss unterscheiden wo Gewohnheiten nicht mehr helfen ihre Aufgabe zu erfüllen. Ob angesichts des Priestermangels weiterhin nur Kandidaten von der Kirche akzeptiert werden können, die unverheiratet bleiben wollen, ist für mich eine der Fragen in der Perspektive des Evangeliums.
Stefan Notz
Jesus nimmt für seine Worte die Qualität in Anspruch „Geist und Leben“ zu sein (Joh 6, 63). Jesus sagt im Evangelium des heutigen Sonntags: „Der Geist ist es, der lebendig macht. Das Fleisch nützt nichts.“ Geist und Fleisch sind in der bildhaften Sprache der Bibel die Namen für zwei grundlegende Sichtweisen. Ich kann die Welt und das Leben so oder so betrachten. Wenn ich es in der Sehweise des Fleisches anschaue, dann geht es um das Handgreifliche und Feststellbare, um das, was vor Augen liegt und sich bewerkstelligen lässt. In dieser Sehweise beurteile ich alles danach, ob es meinem momentanen Empfinden gerade zuträglich ist oder nicht. Die Sehweise des Geistes lässt sich nicht beruhigen mit dem Vordergründigen, dem Nützlichen oder Angenehmen. Eine andere Tiefe wird vom Geist gesucht: die verborgene Wirklichkeit Gottes. Für Jesus ist das Sehen der Innenseite der Dinge der Zugang zum Leben wie es wirklich ist und nicht nur wie es scheint. Für mich ist das Evangelium von Jesus Christus die fortdauernde Einladung beide Sehweisen zum Menschen gehörig zu versehen. Der Geist hilft mir die Innenseite der Wirklichkeit zu ahnen: das Geheimnis Gottes.
Stefan Notz
„Komm, Jesus, meine Tochter liegt im Sterben. Komm und leg ihr die Hände auf, damit sie geheilt wird und am Leben bleibt.“ (Mk5 23) - Gott hält sich nicht distanziert von Leid und Tod.. Er lässt sich hineinziehen in unsere Wirklichkeit, wo gelitten und gestorben wird. Er lässt uns nicht allein damit. Wir sehen als Glaubende Sterben und Tod in einem anderen Licht. Wir dürfen annehmen, dass Gott auch in den dunklen und dunkelsten Stunden bei uns ist. Das ist die Antwort des Evangeliums auf die lastende Frage nach Tod und Leid. Beides wird dadurch nicht abgeschafft – weil zumindest das Sterben natürlicherweise zu unserem Leben gehört. Aber wir können anders umgehen mit beidem: wir werden nicht fortgerissen aus Gottes Hand. Das lässt sich, denke ich, nur erbeten. Und dann erfahren. Und vielleicht erzählen. Ich wünsche mir und Ihnen diese Hoffnungskraft.
Stefan Notz
(in der Zeit der Sommerferien Juli/ August mache ich eine Pause mit den Gedanken zum Sonntag. Allen eine gute Sommerzeit und – hoffentlich – Zeit zur Erholung. Propst Notz)
„Warum habt Ihr solche Angst? Habt ihr noch keinen Glauben?“. (Mk4, 40) Jesus ist mit den Jüngern im Boot. Es tobt ein Sturm. Die Wellen schlagen hoch. Es scheint, als beruhige Jesus wie beiläufig das Meer und den Wind. Den Sturm, das Auf und Ab der Gegenkräfte im Leben, erlebt derjenige als gefährlich, der Angst hat. Die Angst ist das Gegenteil von Glaube. Glaube bedeutet: ich traue Gott. Ganz sicher begegnen auch glaubenden Menschen Gefahren und lebensbedrohende Widerwärtigkeiten. In allem aber wissen sich Glaubende über alle Abgründe hinweg gehalten. Wer glaubt, ist so stark, dass sich der Sturm und die Wogen der Angst vor ihm legen. Wie vor Jesus, weil er Gott ganz traute. Sein gott-menschliches Wort, die Frohe Botschaft von Gott, der uns trägt, wirkt das Wunder, dass der Sturm in uns still wird. Ein solches Vertrauen wünsche ich mir für mich und für uns alle in diesen Zeiten der Unsicherheit und der Zukunftsangst, die viele Menschen bedrücken.
Stefan Notz
„Durch viele Gleichnisse verkündete er (Jesus) Ihnen das Wort, so wie sie es aufnehmen konnten.“ (Mk 4,26-34) Zwei Gleichnisse erzählt Jesus im Sonntagsevangelium vom Wachstum des Reiches Gottes. Das erste legt den Ton auf das Wachstum der Saat. Der Bauer gibt dem Samen nicht die Kraft des Wachstums. Der Mensch trägt durchaus seinen Teil bei, doch die Hauptarbeit leistet nicht er, sondern Gott, während der Mensch „schläft und wieder aufsteht.“ Das zweite Gleichnis für das Reich Gottes ist ein Beispiel für die zahlreichen Aussagen Jesu, dass das „Kleinste“ im Reich Gottes zum „Größten“ wird, eben weil es sich klein gemacht hat und sich an den „letzten Platz“ gesetzt hat. Jesus spricht hier, denke ich, von sich selbst. Er hat in seinem Erdenleben den letzten Platz eingenommen – am Kreuz. Im Neuen und im Alten Testament haben Gleichnisse nichts mit der Moralität des Menschen zu tun, sondern mit der Erhabenheit Gottes. Im Reich Gottes öffnen sich so viele Möglichkeiten, die alles überbieten, was menschliche Leistung vollbringen kann. Da kann man nur staunen. Das Reich Gottes wächst – „der Mensch weiß nicht, wie“.
Stefan Notz
Draußen vor dem Haus sind Jesu Mutter und seine Brüder. Jesus fragt: wer sind meine Mutter und wer sind meine Brüder? Jesus lenkt in dieser Szene des Evangeliums (Mk3,20-35) den Blick auf die, die rings um ihn sitzen. Das sind die, die ihm Zeit schenken und ihm zuhören. Eben diese erklärt Jesus zu seiner Familie. „Wer den Willen Gottes tut, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter.“ Für mich ist das Evangelium eine fortdauernde Einladung zur Schwester oder zum Bruder Jesu zu werden, also in seine Verwandtschaft hinein zu wachsen. Klaus Müller, langjähriger Theologieprofessor in Münster schreibt: „Was ein theologisches Lehrbuch – durchaus richtig - auf einer halben Seite formuliert, das mit dem Herzen zu ergreifen, das kann manchmal 15 Jahre oder länger dauern.“ Schwester und Bruder Jesu kann ich werden, wenn ich staunen kann über ihn, der in dem, was er sagt, was er tut und was er ist deutlich macht, was Gott für uns tut und mit uns vorhat. Ich wünsche mir dieses Wachstum für mich selbst und für unsere ganze Kirche. Einen guten Sonntag wünscht
Stefan Notz
„Der Sabbat ist im alttestamentlichen Schöpfungsbericht der Höhepunkt der Schöpfungswoche, höchster Feiertag Israels und seine Nichteinhaltung ist Gegenstand schärfster prophetischer Kritik. Sein hervorragendstes Merkmal ist das Gebot der Arbeitsruhe, einzuhalten an jedem siebten Tag.“ So ist es in einem theologischen Fachlexikon zu lesen. In den Lesungen des Sonntags geht es um die Bedeutung des Sabbat für den Menschen. Im fünften Buch Mose wird der Sabbat mit der Befreiung aus Ägypten begründet; nur freie Menschen können ruhen und Feste feiern:: „Gedenke, dass du Sklave warst in Ägypten und dass dich der Herr, dein Gott, mit starker Hand und ausgestrecktem Arm von dort herausgeführt hat. Darum hat dir der Herr, dein Gott, geboten, den Sabbat zu begehen.“ (Dtn 5,15) Die frühen Christen fanden in Christus die wahre Sabbatruhe. Er lag an einem Sabbat im Grab. Am nächsten Tag, dem Tag nach dem Sabbat, stand er von den Toten auf. Mit Christus hat eine neue Schöpfung begonnen. Der Sonntag hat daher eine besondere Stellung als Tag des Herrn. Im Markusevangelium sagt Jesus: „Der Menschensohn auch Herr über den Sabbat.“ (Mk2,27) Der Sabbat und der Sonntag erinnern uns daran, dass wir freie Menschen sind; als Erlöste und Befreite dürfen wir leben. Einen gesegneten Sonntag wünscht Ihnen
Stefan Notz
Jesus sendet die Jünger aus: „Geht und tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geites.“ (Mt28) Am Sonntag nach Pfingsten ehrt die Kirche die Heiligste Dreieinigkeit: Vater, Sohn und Geist. Gott ist in menschlichen Begriffen nicht zu fassen. „Wenn du es begriffen hast, ist es nicht Gott“, sagt der Hl. Augustinus. Und doch macht Gott sich selbst für uns verstehbar. Er offenbart sich als Schöpfer der Welt und in der Geschichte des Volkes Israel und endgültig in Jesus, dem Christus. Der Heilige Geist heiligt die Welt durch seine Gegenwart. In diesem Geist sollen Christi Jüngerinnen und Jünger den Menschen die Liebe und Güte Gottes vermitteln und den Glauben an den dreieinen Gott vertiefen. Der Glaube braucht Beziehung, nämlich die Beziehung zu Gott. Wie auch Gott nicht einsam ist, sondern innerhalb der göttlichen Dreifaltigkeit ganz Liebe und Gespräch ist, so braucht unser Glaube das Gespräch mit Gott im Gebet, das Hören auf sein Wort, den Empfang der Sakramente und den geschwisterlichen Austausch des Glaubens. Alles steht und fällt mit der Zusage unseres Herrn: „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“
Stefan Notz
Pfingsten ist das Fest des Heiligen Geistes. Pfingsten ist ein Ereignis. Da ist viel Energie - die Apostelgeschichte sagt das im Bild der Feuerzungen. Pfingsten bewegt. Die Jüngerinnen und Jünger verlassen das Haus, gewinnen neuen Mut und gehen unter die Menschen. Der Geist von Pfingsten will auch uns „leiten“ und „führen“. Die Wahrheit Christi dürfen wir nicht nur glauben, sondern sollen sie tun. Der Apostel Paulus spricht von den Früchten des Geistes, zum Beispiel Milde, Freundlichkeit und Geduld. Das sind nicht nur Charakteranlagen. Früchte des Geistes haben eine tiefere Quelle: Gottes heiligen Geist. In der Kraft des Geistes Gottes kann es gelingen, allen Geschöpfen Menschenwürde und Respekt entgegen zu bringen. Gott „gießt seinen Heiligen Geist aus in unsere Herzen“. Es ist dieser geistreiche Gott, der uns zu inspirierten Geschöpfen macht. Die geistliche Überlieferung kennt die sieben Gaben des Heiligen Geistes: Weisheit und Verstand, Rat und Stärke, Wissenschaft, Frömmigkeit und Gottesfurcht. Dem Gott, der diese Gaben gibt, möchte ich vertrauen. Ich wünsche uns allen die Gaben des Heiligen Geistes.
Stefan Notz
„Alle wurden vom Heiligen Geist erfüllt“, so steht es in der lukanischen Apostelgeschichte (Apg2, 4). Es ist Gottes Geist, der Leben schafft und allem Lebendigkeit verleiht. Ich stelle mir einen Menschen vor, der bei strenger Sonnenhitze durch die Wüste irrt. Alles um ihn herum und auch er selbst ist ausgetrocknet. So geht es mir selbst manchmal auch. So geht es, denke ich, vielen Menschen. Sie sind körperlich oder seelisch ausgelaugt. Es fehlt ihnen an Saft und Kraft. In einer Phase innerer Trockenheit kommt man leicht in die Versuchung aus jeder „Pfütze“ zu trinken. Dann nimmt man alles mit, was sich an Ablenkung bietet. Die Bibel spricht vom Geist Gottes im Bild vom lebensnotwendigen Wasser. Der Geist Gottes verwandelt die „Wüste“ in einen bewässerten, fruchtbaren Garten. Er schenkt das nötige Wachstumsklima. Ohne diesen Lebensspender kann nichts wachsen und gedeihen. Unsere Kirche durchlebt in der Gegenwart eine Zeit geistlicher Dürre. Sie braucht eine neue Ausgießung des Heiligen Geistes. Sie braucht die Erfahrung des Pfingstfestes. Ich wünsche uns die belebende Kraft von Gottes Heiligem Geist. Frohe Pfingsten.
Stefan Notz
„Bleibt in meiner Liebe!“ (Joh 15,9) Das Evangelium vor Christi Himmelfahrt hat den Charakter eines Testamentes: die Worte Jesu sollen in den Herzen seiner Freundinnen und Freunde lebendig bleiben, also auch nach seiner Himmelfahrt. Jesu Liebe bleibt, wenn die Jüngerinnen und Jünger, also auch wir, in seiner Liebe bleiben. Jesus hat uns nicht nur etwas von der Liebe Gottes gezeigt oder mitgegeben; er hat alles gegeben. Der Theologe Hans Urs von Balthasar schreibt dazu: „Christus hat den ganzen Abgrund der Liebe Gottes mitgeteilt und uns erwählt, darin zu leben; was ist selbstverständlicher, als dass wir dieses Alles – ausser welchem es nur das Nichts gäbe – uns genügen lassen? Ja, dieses mitgeteilte Alles ist etwas, um was wir den Vater immer neu bitten dürfen. Sind wir bei Christus, dann wird uns der Vater alles geben.“ Das Evangelium blickt, so verstehe ich es, schon auf Pfingsten voraus: die Gabe ist Gottes Heiliger Geist, der in uns die Aufgabe zu lieben erfüllen hilft. Ein Gebet von Sr. Nadya Ruzhina, OSB, lautet: „Oh, Geist Gottes in mir, lehre mich dich immer mehr lieben, so dass ich meinem Herrn und Gott Jesus Christus nachfolgen und im Alltag auf seinen Spuren bleiben kann. Lehre mich, tiefer im Glauben zu wachsen und das zu werden, was du von jeher gewünscht hast. Heiliger Geist lebe in mir. AMEN.“ Ich wünsche uns den Heiligen Geist Gottes, damit wir bleiben: Er in uns und wir in ihm.
Stefan Notz
Das Sonntagsevangelium vom 5. Sonntag in der österlichen Zeit (Joh 15,1-8) stellt Jesus im Bild des Weinstocks vor. „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. (…) Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht; denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen.“ Getrennt von Jesus sein, das bedeutet: Ohne Gottvertrauen mit Gott und der Welt und sich selbst zurechtkommen wollen. Was würde das heißen? Ohne Gottvertrauen leben bedeutet: misstrauisch sein müssen, voller Angst, zu kurz zu kommen und immer in Angst um den eigenen Anteil an allem gebracht zu werden. Ohne Güte leben heißt: alles, was ich gut meine und auch gut mache, wird als selbstverständlich und ohne ein Wort des Dankes hingenommen. Darum ist keine Übertreibung des Evangeliums, wenn Jesus sagt: Wer nicht in mir bleibt – also: wer ohne Gottvertrauen und Güte lebt, der wird wie eine unfruchtbare Rebe weggeworfen, und er verdorrt. Die Trennung von Jesus ist für den, der Jesus als maßgeblich für das Menschlichsein erkannt hat, nicht vorstellbar. Dass uns das nicht geschieht, dazu sind wir Kirche: Durch unser gemeinsames Hören, Beten und Feiern und auch durch unser Glaubenszeugnis füreinander vertiefen und festigen wir die Verbundenheit mit Jesus Christus. Und umgekehrt: Durch diese Verbundenheit mit ihm sind wir Kirche. Mehr braucht es dazu nicht. Aber das braucht es unbedingt.
Stefan Notz
„weiter – höher – schneller“, diese Lebenseinstellung funktioniert schon lange nicht mehr, das zeigt sich in vielen Bereichen des Lebens und der Gesellschaft. Wir leben in einer Zeit mit vielen Veränderungen, und oft wissen wir noch nicht wirklich, wo es hingehen soll mit Blick auf unsere Lebensfragen, mit Blick auf die Schöpfung oder in unserer Kirche. Weiterleben wie bisher? Oder weiterleben und etwas Neues wagen? Es kann sein, dass es wichtig ist, etwas anders zu machen als bisher – um des Lebens willen. Weiterleben bedeutet für mich der Hoffnung Raum zu geben, also nicht alles zu eng sehen. Das Evangelium bedeutet schließlich Weite und schenkt Luft zum Atmen. Ich kann darauf achten, wo mehr Leben, mehr Freude und mehr Freiheit wachsen. Dazu ist für mich Jesus Christus der Weg. Er wird am 4. Sonntag der Osterzeit vorgestellt als der Gute Hirte, der sein Leben für die Seinen gibt. An der Seite des guten Hirten ist eben genau das möglich: weiterleben. Nicht im Sinne einer fortgesetzten Ausbeutung des Lebens nach dem Motto „Schneller, höher und weiter“, sondern im Sinne des Evangeliums: Er, der gute Hirte, schenkt uns sein Leben. Wir dürfen es annehmen und verantwortlich gestalten für die Schöpfung, für Menschen und in den Fragen unserer Zeit. So werden aus Jüngerinnen und Jüngern Jesu auch gute Hirtinnen und Hirten im Heute.
Stefan Notz
Die Zeugen der Auferstehung zweifeln. Sie halten den Auferstandenen für eine Art Gespenst. So berichtet es der Evangelist Lukas (24,37ff.). In einer italienischen Übersetzung steht dafür das Wort „fantasma“. Doch die Jünger phantasieren nicht. Der Auferstandene ist der Gekreuzigte. „Kein Geist hat Fleisch und Knochen, wie ihr es bei mir seht“, entgegnet Jesus den Jüngern und zeigt ihnen seine Hände und seine Füße. Bei Joseph Ratzinger (später Papst Benedikt XVI.) lese ich: „Ein Glaube, der nicht Fleisch und Knochen hat, ist bloß intellektuell oder geistlich oder gefühlsmäßig. Er wäre keine Antwort auf die Gegenwart Jesu; Glaube wäre dann nur ein Ornament für einige schöne Anlässe, für den einen oder anderen Sonntag, für die Hochzeit, für die Taufe usw.. Der Auferstandene aber hat Fleisch und Knochen, und deshalb muss unser Glaube jeden Tag Fleisch werden, d.h. eintreten in unsere sozialen Beziehungen, in unsere Arbeit. Glaube muss mit Fleisch und Knochen Wirklichkeit werden.“ Ich wünsche, dass der Glaube für uns immer neu Hand und Fuß bekommt.
Stefan Notz
„Friede sei mit euch!“ (Joh 20,19) Mit diesen Worten tritt Jesus, der Auferstandene, in die Mitte seiner Jünger. Jesus kommt, so berichtet es Johannes, als die Türen verschlossen waren. Das Evangelium spricht in Bildern und will sagen: Du kannst noch so entmutigt, so eingesperrt, so schuldig, so ohnmächtig sein, wie du willst – wenn Gott wirklich Gott ist, ist das für ihn kein Hindernis. Das hat Jesus durch sein Leiden und Sterben sichtbar gemacht. Die Jünger waren damals entmutigt, nach Jesus gekreuzigt worden war. Das erste Wort des Auferstandenen lautet: Friede sei mit euch. Übersetzt in die Sprache von heute heißt das: Habt keine Angst! Vom Apostel Thomas wird gesagt, er war nicht dabei als Jesus kam. Ihm sagt Jesus das Wort: Selig sind, die nicht sehen und doch glauben. Das ist genau unsere Situation im Glauben. Auch unser Glaube kann sich auf keine Erscheinungen stützen. Unser Glaube gründet sich – wie bei Thomas – auf dem Leben und Sterben Jesu. Im Klartext: Wer lebt, wie Jesus lebte; wer tut und sagt, was er tat und sagte; wer schließlich stirbt, wie er starb – von dem darf man überzeugt sein, dass er mit allem, was zu seinem Leben gehörte, nicht verloren geht, sondern auf immer in Gottes Hand gerettet sein und bleiben wird. Jesu Leben und Sterben ist das eigentlich glaubwürdige Zeichen seiner Auferstehung. Ostern ist keine Idee, sondern eine Erfahrung. Die Erfahrung machen und weitergeben werden wir, wenn wir uns an das halten, was der Auferstandene dem kritischen Thomas rät: nicht sehen und doch glauben.
Stefan Notz
Am Ostermorgen, so berichtet es das Markusevangelium (Mk16,1-7) finden die Frauen das Grab Jesu offen. Der Stein ist weggewälzt. Ein Engel sagt Ihnen: “Ihr sucht Jesus von Nazaret, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden; er ist nicht hier.” Das ist die Osterbotschaft, die uns verkündet wird. In der Hl. Osternacht erneuern wir unser Taufbekenntnis und werden mit dem neuen Taufwasser besprengt. Das Wasser der Taufe sagt mir: Gottes Kraft, das Leben selbst, durchdringt uns. Daraus gewinne ich Kraft zum Leben. Ich darf der Osterbotschaft trauen. Gott schenkt ein neues Beginnen inmitten einer Welt von Leid und Tod. Ich darf dem Leben trauen und muss dabei den Tod nicht verdrängen. Ostern sagt mir: ich muss dem Tod nicht davonlaufen. Ich würde dann den Sinn für das Leben verlieren. Jesus ist dem Tod nicht aus dem Weg gegangen. Er hat ihn kommen sehen. Der Karfreitag ist daher keine menschliche Panne , sondern Menschlichkeit bis zum Äußersten. Im Blick auf den gekreuzigten Jesus begreife ich, was Ostern ist: Leiden und Tod nicht einfach hinzunehmen- und schon gar nicht zu verdrängen, sondern anzunehmen und mitzutragen. Darin liegt Hoffnung für die Erde und die Menschen, die auf ihr leben. Weil Christus lebt - füreinander aufstehen. Wo das zu spüren ist, da wird Ostern.
Stefan Notz
Jesus zieht in Jerusalem ein. So berichtet es das Markusevangelium am Palmsonntag. Mit Zweigen in den Händen rufen die Menschen freudig „Hosianna – gelobt sei Jesus, der im Namen Gottes kommt“. Die Freude dauert nicht lange. Die Begeisterung über Jesus schlägt um in das „Kreuzige ihn!“. Ich sehe Jesus auf dem Esel in Jerusalem einziehen. Mir wird klar: Jesus ist nicht der stahlgehärtete Siegertyp, der unberührt an den Leidensgeschichten der Menschen vorbeigeht oder über sie weg. Er ist kein Held wie Siegfried von Xanten. Er geht die dunklen Wege menschlicher Ohnmacht mit bis zum toten Punkt. Er verzichtet im Ölgarten auf das Schwert. Er geht freiwillig in ein Gerichtsverfahren, das ihm keine Chance lässt. Er lässt sich lieber niederschlagen und aufs Kreuz legen, als dass er andere niederschlägt. Jesus geht diesen Weg konsequent für uns. Ich beginne zu verstehen, dass Gott nicht allmächtig genannt wird, weil er vordergründig alles kann, was er will, sondern weil er auch noch die Macht der Vergeltung durch die Macht der Liebe verwandeln kann. Solche verwandelnde Liebe ist die größere Macht. Martin Luther King hat das schon richtig verstanden: »Macht mit mir, was ihr wollt, ich werde euch dennoch lieben.“ Ihnen allen wünsche ich gesegnete Kartage.
Stefan Notz
Von Erhöhung spricht das Evangelium des Sonntags. Christus wird erhöht am Kreuz. “Wenn ich über die Erde erhöht bin, werde ich alle an mich ziehen.“ (Joh12,32) Der Evangelist Johannes greift damit ein alttestamentliches Wort auf, das mit neuem Sinn gefüllt wird. Erhöhung drückte bis dahin die Einsetzung in die Königswürde aus. Johannes setzt „Erhöhung“ ein für den Vorgang der Kreuzigung, bei dem Christus über die Erde „erhöht“ wird. Für das Johannesevangelium fallen der Karfreitag, Ostern und Christi Himmelfahrt ineinander. Das Kreuz erscheint als Königsthron, von dem aus Christus regiert und die Menschen mit weit geöffneten Armen an sich zieht. Bei Joseph Ratzinger (später Papst Benedikt XVI.) lese ich. „Christus am Kreuz ist das Gegenbild zu Adam, dem ersten Menschen, der in eigenmächtiger Anmaßung sich selbst erhöhen, sich selbst vergotten wollte und darüber sich selbst zerstörte und verlor. Die Erhöhung Christi ist Ausdruck für das Gesetz des Weizenkorns: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, so bleibt es allein; stirbt es aber, so bringt es viele Frucht (Joh 12,24).“ An diesem Sonntag werden in den Kirchen üblicherweise die Kreuze verhüllt. Was das Kreuz bedeutet wird sichtbar erst nach Ostern, wenn der Gekreuzigte sich zeigt als der Auferstandene. Ich wünsche allen ein gutes Zugehen auf die österlichen Tage.
Stefan Notz
Das Evangelium vom vierten Sonntag in der vorösterlichen Zeit spricht vom göttlichen Gericht. Das ist eine Vorstellung, die von vielen Menschen mit Skepsis betrachtet wird. Das „Gericht“ ist aber Bestandteil der Frohen Botschaft. Der Abschnitt aus dem Johannesevangelium (Kap.3,18ff) lässt mich die Rede vom Gericht neu anschauen. Die entscheidende Aussage ist, dass wer die Liebe Gottes zurückweist, sich selber richtet. Gott hat keinerlei Interesse, den Menschen zu richten; er ist lauter Liebe, die soweit geht, dass „Gott seinen Sohn für uns hingibt“. Mehr kann Gott uns Menschen gar nicht geben. Die Frage ist, ob ich diese Liebe annehme, so dass sie wirksam und fruchtbar sein kann. Im Bild von Licht und Finsternis bringt der Evangelist dies ins Bild: die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht. Gericht hat also zu tun mit unserer Freiheit und der Haltung zu Gottes Liebe und seiner Geistkraft. Nehme ich seine Liebe an oder verweigere ich mich. In der neutestamentlichen Lesung unterstreicht Paulus das als Theologe: „Gott (…) hat uns, die wir infolge unserer Sünden tot waren, in seiner großen Liebe (…) zusammen mit Christus lebendig gemacht.“ Gott will retten, nicht richten. Das ist die Frohe Botschaft an diesem Sonntag, der in der Überlieferung LAETARE genannt wird: Freue dich. Ich wünsche mir und uns, dass diese Freude unser Leben durchdringen kann.
Stefan Notz
Tempelreinigung. Jesus räumt im Evangelium gründlich auf. Diese Seite kennen wir bei Jesus eigentlich nicht. Aber sein Tun ist nur mit einer tiefen Liebe zum Tempel zu erklären. Der Tempel war für Jesus der Ort, Gott zu begegnen, zu Gott zu beten, mit ihm zu sprechen. So hat sich in der tiefen Liebe von Jesus zum Tempel seine tiefe Liebe zu Gott gezeigt. Der Tempel war nicht irgendein Ort. Der Tempel war der heilige Ort. Klar: beten kann man auch außerhalb bestimmter Orte. Jesus hat oft einsame Orte aufgesucht, wenn er beten wollte. Die Händler hatten den Tempel zu einer Markthalle gemacht. Nicht, dass hier keine Gottesdienste stattgefunden hätten. Doch was Jesus sah, das hatte ihn wütend gemacht. Offensichtlich hatte der Handel Überhand genommen. Der Tempel war für einige zu einer wichtigen Einnahmequelle geworden. Das Gebet wurde immer mehr zurückgedrängt. Gott aber darf nicht für wirtschaftliche Interessen missbraucht werden. Damit provoziert Jesus die Händler. Sie sehen ihre Existenz bedroht. Jesus will die Menschen zu Gott zurückführen. Daher braucht es die Reinigung des Tempels. Jede Erneuerung - auch in unserer Zeit - fängt bei mir selbst an. Welche Rolle spielt Gott in meinem Leben? Was ist mein Tempel, mein heiliger Ort?
Stefan Notz
Glaube ist vor allem ein Weg. Abraham war im Glauben unterwegs. Er versuchte den Gott kennenzulernen, an den er glaubte, von dem er aber nur wenig wusste. Abraham ist der Mensch, der Gott sucht; Abraham sind alle Menschen, die Gott suchen; Abraham ist jeder von uns auf seinem Weg zu Gott, jeder, der unterwegs ist, um seinem Wort zu folgen. Die durchaus schwierigen biblischen Texte des 2. Fastensonntags wollen ermutigen im Glauben voranzugehen. Sie möchten das Grundmisstrauen besiegen, dass sich oft in die Gottesbeziehung hineindrängt und auch in die Beziehung zu anderen Menschen und auch in alles, was neu und wahr ist. Abraham war Gott gehorsam und das wurde ihm als Gerechtigkeit angerechnet (Röm4.3). Isaak bleibt am Leben. So grauenvoll die Erzählung von Abrahams Opfer (Gen 22) auch ist, sie zielt auf Errettung. In Jesus Christus wird die Errettung vom Tod geschenkt. „Ist Gott für uns, wer ist dann gegen uns? Er hat seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern ihn für uns alle hingegeben – wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken? Glaube ist ein Weg. Wir sind eingeladen ihn als Kinder Abrahams zu gehen. Jesus ist Schritt für Schritt in die Gewissheit hineingewachsen, dass es nichts gibt, was ihn dem lebendigen Gott entreißen könnte, nicht einmal das Sterben. Ich möchte in dieser österlichen Hoffnung wachsen und den Glaubensweg gehen.
Stefan Notz
Die vorösterliche Bußzeit, die Fastenzeit, umfasst 40 Tage. Jesus sagt: „Ich bin gekommen, nicht um meinen Willen zu erfüllen, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat.“ In Wüste bereitet sich Jesus 40 Tage genau darauf vor: den Willen Gottes zu erfüllen. Die 40 Tage in der Wüste waren für Jesus so etwas wie eine Probezeit. Die Fastenzeit kann ich auch für mich als Probezeit deuten. Wie Jesus seinen Weg und seine Botschaft gefunden hat, so kann ich meinen Weg anschauen und mich fragen, was mich trägt und hält im Leben und im Glauben. Probezeit - Parolizeit! Der Geist hat Jesus in die Wüste geführt, um dem Versucher da, wo er am stärksten war, Paroli zu bieten.
Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um, und glaubt an das Evangelium! Die Fastenzeit will eine Zeit der Vorbereitung auf das Osterfest sein. Was ist wirklich wichtig für mich? Worauf kann ich – zumindest auf Zeit - verzichten und die Erfahrung machen, dass es mir gut tut und mir an Lebensqualität nichts fehlt.
Stefan Notz
Der 11. Februar ist der Welttag der Kranken. Das Evangelium des Sonntags (Mk 1,40-45) zeigt Jesus in einer sehr menschlichen Geste. Er leidet mit Anderen mit. Es sind Aussätzige, also isolierte Kranke, die Jesu Güte und seine göttliche Macht erfahren. Durch eine Berührung beendet Jesus die Isolation. Wir haben heute Isolierstationen in den Krankenhäusern, aber viel häufiger fühlen sich Menschen isoliert, die lange erkrankt sind und am sozialen Leben nicht oder nur eingeschränkt teilnehmen können. Zum Welttag der Kranken schreibt Papst Franziskus: „Die Bestimmung zur Gemeinschaft ist tief im menschlichen Herzen eingeschrieben. Die Erfahrung der Verlassenheit und Einsamkeit trifft Menschen um so mehr in Zeiten der Gebrechlichkeit, Ungewissheit und Unsicherheit.“ Aussätzige werden sie in Bibel genannt. Isolierte, Ausgegrenzte, am Rand der Gemeinschaft stehende und Unbeachtete gibt es heute in großer Zahl. Glaube kann heilen. Hoffnung kann heilen. Liebe kann heilen und befreien. Das Evangelium von Jesus Christus ist für mich die beständige Einladung und Aufforderung dazu. Jesus berührt mit seiner Hand den Kranken. Er wird geheilt. Wem strecke ich heute meine Hand entgegen?
Stefan Notz
Es hatte sich schnell herumgesprochen, dass Jesus Kranke heilt. Viele werden aufmerksam und wollen Jesus sehen und hören. Er aber entzieht sich. Er geht an einen einsamen Ort, um zu beten. Er möchte Kraft tanken für seinen Auftrag das Reich Gottes zu predigen. Das Sonntagsevangelium (Mk 1,29-39) stellt neben einer Heilung durch Jesus das Suchen in den Mittelpunkt. Die Jünger machen sich auf die Suche nach Jesus. Als sie ihn endlich finden, berichten sie ihm: „Alle suchen dich.“ Eng verbunden mit dem Geheiltwerden durch Jesus ist das Suchen, die Suche nach Jesus. Das sagt mir das Evangelium dieses Sonntags: ich muss die Nähe Jesu suchen. Das kann in vielfachen Weisen geschehen: zum Beispiel im Lesen der Hl. Schrift, in einem vertrauensvollen Gespräch oder in der Feier der Sakramente. Zum Suchen und Finden lädt das Evangelium mich ein. Am Ende darf ich mich von Gott finden lassen. Diese Frohe Botschaft verkündige ich gerne, auch in dieser Zeit der großen Umbrüche in Kirche und Gesellschaft. Die Frohe Botschaft ist für mich immer wieder motivierend. Der Apostel Paulus ist sich völlig sicher: „Alles aber tue ich um des Evangeliums willen, um an seiner Verheißung teilzuhaben.“ (1 Kor 9, 23) Jesus suchen und finden. Viel Motivation für mich am Anfang der neuen Woche.
Stefan Notz
In der Synagoge in Kafarnaum staunen die Zuhörenden über Jesus. Er lehrt mit Vollmacht, anders als die Schriftgelehrten (vgl. Mk1,21-28). Wenn Jesus spricht, ist nicht nur der Inhalt seiner Rede von Bedeutung; er selbst ist das Wort Gottes für uns. Daher die Wirkmacht seiner Rede. Papst Franziskus hat den dritten Sonntag im Januar zum Sonntag des Wortes Gottes erklärt. Er schreibt: „Wir verspüren die dringende Notwendigkeit, uns mit der Heiligen Schrift und dem Auferstandenen eng vertraut zu machen, der nie aufhört, das Wort und das Brot in der Gemeinschaft der Gläubigen zu brechen. Aus diesem Grund müssen wir zu einer ständigen Vertrautheit mit der Heiligen Schrift gelangen, sonst bleibt das Herz kalt und die Augen verschlossen, da wir, wie wir nun einmal sind, von unzähligen Formen der Blindheit betroffen sind.“ Einige praktische Fragen fügt Papst Franziskus hinzu: „Habe ich das Evangelium in meinem Zimmer griffbereit? Lese ich es jeden Tag, um darin den Weg des Lebens wiederzufinden? Habe ich in der Tasche ein kleines Exemplar des Evangeliums, um darin zu lesen? Habe ich wenigstens eines der vier Evangelien vollständig gelesen? Das Evangelium ist ein Buch des Lebens, es ist einfach und kurz, und doch haben viele Gläubige nie eines von Anfang bis Ende gelesen.“ Mich lädt das Evangelium des Sonntags ein das Wort Gottes zu hören. Ich kann es täglich wie einen Schlüssel in der Tasche tragen, wie einen Schlüssel zu mir selbst.
Stefan Notz
Jesus beruft Simon und Andreas, Jakobus und Johannes in seinen Jüngerkreis. So berichtet es das Markusevangelium (vgl. Mk1,16ff). Die vier sind erfahrene Fischer. Fische fangen ist ihr Handwerk. Viel Erfahrung bringen sie mit. Von nun an sollen sie Menschenfischer werden. Die Fischer werden aus ihrer weltlichen Tätigkeit herausgerufen – und sie folgen ohne Zögern dem Ruf Jesu. Der Theologe Hans Urs von Balthasar spricht von „exemplarischen Berufungen“ und will damit sagen, dass es hier nicht um Ausnahmen geht. Auch Christinnen und Christen, die in ihren weltlichen Berufen tätig sind, werden von Jesus Christus in den Dienst des Reiches Gottes gerufen. Das geschieht zum Beispiel wo Menschen sich anderen zuwenden. Der vormalige Bischof Wanke von Erfurt bringt das auf den Punkt in sieben kurzen Sätze: Ich höre dir zu. Ich gehe ein Stück mit dir. Ich rede gut über dich. Ich bete für dich. Ich teile mit dir. Ich besuche dich. Du gehörst dazu. – Danke für viele Menschen-fischerinnen und Menschenfischer unter uns!
Stefan Notz
Mit Beginn dieses Jahres hat in unserem Bistum die Bildung Pastoraler Räume begonnen. Die Zusammenarbeit von selbständigen Pfarreien sowie der haupt- und ehrenamtlich Seelsorgenden und Mitarbeitenden soll die Verkündigung der Frohen Botschaft unter in Zukunft deutlich veränderten Rahmenbedingungen weiter ermöglichen. Ein richtiges Anliegen, finde ich, aber wieder einmal sind es Strukturfragen, die sich in der Kirche in den Vordergrund drängen. Die Gründe sind offensichtlich: es gibt weniger Menschen, die einen kirchlichen Beruf wählen, weniger Menschen, die ihren Glauben in einer kirchlich gebundenen Weise leben und die Zahl der Katholiken nimmt ab. Strukturfragen sind wichtig, aber sie helfen den Menschen weder bei der Beantwortung der Lebensfragen, noch beantworten sie eine spirituelle Sehnsucht. Mir hilft das Evangelium des Sonntags. Andreas und ein anderen Jünger möchten Jesus kennenlernen. Sie suchen die persönliche Begegnung und fragen „wo wohnst Du?“. Diese Frage meint: Wer bist du? Und Jesus antwortet: „Kommt und seht!“ (Joh 1,39) Jesus sagt nicht: Glaubt! Hört! Bekehrt euch!, sondern einfach „Kommt und seht!“ Nähe ist entscheidend. Daran hängt es auch in einem Pastoralen Raum. Ohne persönliche Nähe zu Jesus Christus hilft auch kein Pastoraler Raum.
Stefan Notz
Als Jesus von Johannes im Jordan getauft wird, spricht die Stimme aus dem Himmel: Du bist mein geliebter Sohn. (vgl. Mk1, 11) Jesus stellt sich in die Reihe der Sünder und empfängt die Bußtaufe des Johannes. Dabei kommt der Heilige Geist auf Jesus. Es ist der Geist, der Jesus in die Wüste führen wird zur Vorbereitung und Stärkung seiner Sendung. In der Kraft des Heiligen Geistes verschenkt Jesus sein Leben an uns. Zuerst in Galiläa, dann in Jerusalem und schließlich auf Golgotha. Wir haben die christliche Taufe empfangen. Diese wird in den biblischen Texten auch mit dem Wort Wiedergeburt bezeichnet. Noch einmal von vorne beginnen, den ganzen alten Ballast hinter sich lassen, sich wie neu geboren fühlen. Das geschieht in der Heiligen Taufe. Nur bedenken wir es kaum und erfahren es kaum noch. Am Anfang des Christenlebens steht die Taufe aus dem Wasser und dem Heiligen Geist. Der Geist Jesu eröffnet uns einen neuen, ungeahnten Lebensraum, er eröffnet uns Gott. Neu anfangen in der Kraft Gottes, seines Heiligen Geistes. Wenn wir selbst entdecken, dass die Taufe uns eine einzigartige Chance schenkt, wie neu geboren zu leben, wird dieses Tor der Taufe für andere wieder auffindbar und lädt zum Eintreten ein. Wir dürfen uns unserer Taufwürde neu bewusst werden. Wir sind seine geliebten Töchter und Söhne. Ich wünsche Ihnen und Euch dieses Selbstbewusstsein aus der Taufe.
Stefan Notz