Zeit für mich - Zeit für Gott

Impulse von Propst Notz

1. Fastensonntag

Die Fastenzeit hat mit dem Aschermittwoch begonnen. Christinnen und Christen verstehen die 40 Tage der Fastenzeit als Vorbereitungszeit auf das Osterfest. Vierzig Jahre wanderte das Volk Israel durch die Wüste, vierzig Tage verbrachte Moses auf dem Berg Sinai, vierzig Tage wanderte der Prophet Elija zum Gottesberg Horeb. Jesus fastete vierzig Tage in der Wüste. Vierzig Tage: Zeit anzukommen. Jesus, so berichtet das Evangelium des 1. Fastensonntags (Mt4,1-11) lebt 40 Tage in der Wüste. Er wird dort in Versuchung geführt. Was ist hier mit Versuchung gemeint? Ich denke, es ist die Versuchung Gott nicht zu vertrauen. Vom Teufel werden Jesus Sicherheiten angeboten. Macht und Einfluss über die Menschen. Diabolos, Durcheinanderbringer, wird der Teufel im Neuen Testament genannt. Aber Jesus steht fest in der Versuchung. Er kontert: Der Mensch lebt nicht nur von Brot, sondern von jedem Wort aus Gottes Mund. Die 40 Tage der Fastenzeit fragen mich an: wovon lebe ich? Traue ich Gott zu, dass er mich hält? Was gibt mir Sicherheit in unsicherer Zeit? Eine veränderte Wortstellung im Vater Unser hilft mir. Ich bete gern: … und führe uns in der Versuchung. Fastenzeit ist die Zeit, sich seiner Führung mehr zu überlassen.
Stefan Notz

2. Fastensonntag

Das Buch Genesis ist das erste Buch in der Bibel. Die Berufung Abrahams, die in der Genesis erzählt wird, markiert den Anfang der Geschichte Gottes mit seinem Volk Israel. Abraham folgt dem Ruf Gottes: „Zieh weg aus deinem Land, von deiner Verwandtschaft und aus deinem Elternhaus in das Land, das ich dich sehen lasse.“ (Gen12,1) In die Bereitschaft Abrahams auf Gott zu hören und aufzubrechen legt Gott seine Zusage umfassenden Segens. Ein solcher Segen kann nur von einem Menschen ausstrahlen, der um Gottes Willen loslassen kann. Sonst würde der Segen Gottes gewissermaßen an ihm und seinem Besitz hängen bleiben und dieser Besitz würde – wie oft im alten, im ersten Testament beschrieben, gesichert und vermehrt. Aber von Abraham heißt es: „Du sollst ein Segen sein“. Abraham ist der Urtyp des glaubenden Menschen. Gott kann ihn bewegen zu Aufbruch und Veränderung. Das Festhalten und Bewahren wird aufgebrochen auf eine neue Zukunft hin. So wird Abraham zum Segen für viele Generationen. Ich wünsche unserer Kirche den Glauben Abrahams, dass sie , ein Segen sein kann für die Menschen von heute.
Stefan Notz

3. Fastensonntag

An diesem Sonntag wird im Gottesdienst ein Abschnitt aus dem Buch Exodus gelesen. Da wird vom Auszug Israels aus der Gefangenschaft in Ägypten berichtet. Der Weg in das von Gott verheißene Land führt durch die Wüste Sinai und ist beschwerlich. Das Volk beginnt zu murren und macht dem Anführer Moses Vorwürfe: „Warum hast Du uns überhaupt in diese Wüste geführt?“ Die Klage gegen Moses ist auch eine Klage gegen Gott. Die Menschen fragen: „ist Gott bei uns oder nicht?“ Diese Frage begegnet uns auch heute. Angesichts der unsicheren Zukunft beginnen Menschen zu zweifeln an Gott. Das Gottvertrauen bröckelt. In der Wüste zeigt sich Gott nachsichtig mit seinem Volk. Auf Gottes Wort hin schlägt Moses mit seinem Stab gegen einen Felsen und Wasser fließt heraus, das den Durst der Menge stillt. Wer kann den Durst des Lebens stillen? Erlebe ich Wegabschnitte, die trocken und weglos scheinen wie eine Wüste? Das „Murren“ kann uns ebenso erfassen wie einst die Israeliten auf der Wüstenwanderung. Woher kommt Hoffnung? Für mich ist Jesus die Quelle der Hoffnung. Er sagt einer Frau am Jakobsbrunnen: „Wer vom Wasser trinkt, das ich ihm geben, wird nie mehr Durst haben. Das Wasser, das ich gebe, schenkt ewiges Leben.“ . Ich wünsche mir und uns allen, der Quelle des Lebens in der Fastenzeit etwas näher kommen zu können.
Stefan Notz

4. Fastensonntag

Die berühmte Statue vom "blinden Seher“ ist vielen Menschen bekannt: Ein alter Mann tastet sich mit der linken Hand vorsichtig in den Raum vor - die typische Geste eines Blinden. Der andere Arm aber tastet nach vorne, auf ein fernes Ziel hin. Auch die leeren Augenhöhlen des Blinden sind dorthin gerichtet. Sein Gesichtsausdruck verrät deutlich: der Blinde sieht. Was wir mit den Augen sehen, ist laut. Es drängt sich auf und schiebt sich über unsere anderen Sinne. Wer keine Augen hat, nutzt die anderen Sinne: Er riecht doppelt, fühlt doppelt, schmeckt doppelt. Und er entwickelt Wahrnehmungsorgane, von denen der Sehende nichts ahnt. Er schaut hinter die sichtbare Welt. Darum schätzen die alten Kulturen den "blinden Seher"“ so hoch. Vielleicht können wir heute noch von den Blinden lernen, wo uns die Bilder umfluten und betäuben wie noch nie. Im Johannesevangelium dieses Sonntags schenkt Jesus einem Blindgeborenen das Augenlicht. Dieser ist überglücklich, auch wenn andere nicht anerkennen wollen, dass es Jesus war, der ihn geheilt hat. Jesus spricht ungern von "Gläubigen" und "Ungläubigen" oder von "Bekehrten" und "Unbekehrten" - er unterscheidet einfach zwischen Sehenden und Blinden. Damit macht er deutlich: Glauben erfordert keine besonderen Fähigkeiten oder übermenschlichen Anstrengungen. Alles, was dazu notwendig ist, ist Offenheit. Jesus hatte diese Offenheit in der Kraft Gottes. Der Blindgeborene kann sehen. Das wünsche ich uns, dass wir als österliche Menschen die Gnade des Glaubenslichtes schenken lassen. Eben davon sprechen die Lesungen des Sonntags Laetare. Und das bedeutet nichts anderes als Freude.
Stefan Notz

5. Fastensonntag

Der fünfte Fastensonntag, der auch Passionssonntag oder Misereor-Sonntag genannt wird, erzählt in der Liturgie die Auferweckung des Lazarus durch Jesus. Es ist im Sinne des Johannesevangeliums das letzte „Zeichen“ im Wirken Jesu vor seiner Passion. Jesus, der dem Tod entgegengeht blickt sozusagen dem Tod in die Augen. Jesus ist mehr als ein rabbinischer Wundertäter. Die Totenerweckung des Lazarus zeigt, dass in Jesu Menschwerdung die messianische Zeit angebrochen ist. Jesu Ruf „Komm´ heraus, Lazarus!“ will zum Glauben an den Messias Jesus führen und im Glauben an ihn die „Fülle des Lebens“ finden lassen. Die Auferweckung des Lazarus gibt für die einen den Ausschlag, Jesu Tod zu beschließen, während andere zum Glauben an ihn kommen (Joh11,45). Für mich ist die Auferweckung des Lazarus ein österliches Evangelium, weil hier schon vor der Passion Jesu deutlich wird, dass die Macht über den Tod Teil seiner Sendung ist. Wenn Jesus am Kreuz seinen Geist aushaucht, wird der Tod in seiner Endgültigkeit entmachtet sein. Der Kreuzestod ist die Offenbarung der letzten Hingabe Gottes an die Menschen. Weil Gott in Christus diesen Tod gehorsamer Liebe stirbt, kann Jesus sich selbst „Auferstehung und Leben“ nennen. Die letzten Tage der Fastenzeit und die bald beginnende Karwoche bringen mich vor die Frage, die Jesus seiner Freundin Martha, der Schwester des Lazarus, stellt: Glaubst Du das? Ich wünsche uns allen, dass wir mehr und tiefer in die Antwort Marthas hineinwachsen können: Ja, Herr, ich glaube, dass du der Messias bist, der Sohn Gottes, der in die Welt kommen soll.
Stefan Notz

Palmsonntag

Mit dem Palmsonntag beginnt die Karwoche, in der wir des Leidens und Sterbens Christi, des menschgewordenen Gottessohnes gedenken. Die Leidensgeschichte Jesu wurde von Johann Sebastian Bach in großen musikalischen Kompositionen interpretiert. Der Eingangschor der bach`schen Matthäuspassion stellt den gekreuzigten Christus vor Augen: „Kommt, ihr Töchter, helft mir klagen. Seht ihn wie ein Lamm… Sehet ihn aus Lieb und Huld Holz zum Kreuze selber tragen.“ Die Matthäuspassion des Neuen Testamentes sagt uns: Gott hat als Mensch wahrhaft gelitten und ist wirklich gestorben. Das ist von größter Bedeutung für alle, die mit Leid und Tod konfrontiert werden. Gott lässt uns in Leid und Tod nicht allein; vielmehr leidet er mit. Der Gott und Vater Jesu Christi ist ein mitleidender, mitfühlender Gott. Die Karwoche, die vor uns liegt, möchte uns diesem Gott und Vater Jesu näher bringen, der– so sagt der Brief an die Hebräer (4,9) in der Schriftlesung am Karfreitag – der Urheber des ewigen Heils geworden ist. Der Einzug Jesu in Jerusalem, das Abendmahl am Gründonnerstag, der Kreuzweg sowie Christi Tod und Auferstehung stellen uns das österliche Geschehen vor Augen, das wir innerlich mitvollziehen können, wie auch Gott unser Leben, unsere Not und unsere Sünden sich zu eigen macht und bis hinauf nach Golgotha trägt. Zu allen Zeiten haben Menschen sich ergreifen lassen von der lebenschaffenden und verwandelnden Kraft des Osterfestes. Oh happy day, so lautet ein afroamerikanischer Gospelsong. Auch dieser Gesang ist vom Karfreitag inspiriert. Von daher verstehe ich die drei österlichen Tage als den einen glücklichen Tag: Oh happy day, when Jesus wasched my sins away. Oh glücklicher Tag, an dem Jesus meine Sünde reingewaschen hat.
Stefan Notz

Ostern

In der Feier der Heiligen Osternacht entfaltet der Apostel Paulus im Brief an die Gemeinde in Rom seine Tauftheologie: wir sind auf Christus Jesus getauft worden und wurden mit ihm begraben durch die Taufe auf den Tod. Und wie Christus … von den Toten auferweckt wurde, so sollen auch wir als neue Menschen leben. Die Taufe bedeutet also ein Mitsterben mit Christus zum endgültigen Heil in ihm: zur Auferweckung in ihm zu Gott hin, als ein neues, sünde- und todloses Leben. Das ist das große Geschenk an alle Getauften und eine lebenslange Forderung an die Getauften dieses neue Leben zu bewahrheiten. Die Frauen sind die ersten, die nach biblischem Zeugnis am Ostermorgen die Botschaft von der Auferstehung verkünden. Der Engel sagt ihnen „Er ist nicht hier; er ist auferstanden, wie er gesagt hat.“ Das Grab ist am Ostermorgen leer. Die Frauen sehen eine Leerstelle. Was den Frauen anstelle der Leere geschenkt wird, ist die Freude der Botschaft an die Jünger, eine Freude, die noch dadurch verstärkt wird, dass der Gekreuzigt-Auferstandene selbst ihnen erscheint und sie sendet: „Sie sollen nach Galiläa gehen, dort werden sie mich sehen.“. Dort, wo alles begonnen hat, im Alltag, soll das neue Leben beginnen: im Unscheinbaren das Unfasslich-Einmalige. Ich wünsche Ihnen und Euch im Namen aller Seelsorgenden der Propsteigemeinde Frohe Ostern. Christus ist auferstanden. Er ist wahrhaft auferstanden!
Stefan Notz

2. Sonntag der Osterzeit

Der Sonntag nach dem Osterfest heißt traditionell Weißer Sonntag und erinnert an die weißen Taufkleider, die in der frühen Kirche den Täuflingen während der Osternacht angelegt wurden. In vielen Gemeinden war der Weiße Sonntag mit der Feier der Erstkommunion verbunden – und ist es hier und da auch heute noch. 

Taufe und Eucharistie gehören zusammen. In den Sakramenten der Hl. Taufe und der Hl. Eucharistie wird die Gemeinschaft mit Jesus Christus grundgelegt und gefestigt. Durch die Taufe sind wir mit Christus getauft auf seinen Tod, um mit ihm zum Leben aufzuerstehen, wie der Apostel Paulus verkündet. In der Feier der Heiligen Messe vertiefen wir unsere Verbindung mit Christus durch den Empfang der Hl. Kommunion und haben damit Anteil an seiner Lebenshingabe an uns Menschen.

Heute höre ich öfter sagen: „Irgendwie glaube ich an Gott. Aber das mit der Auferstehung nehme ich dir nicht ab.“ Nun, beweisen kann ich unseren Glauben an die Auferstehung Jesu Christi von den Toten nicht. Ich bin und bleibe aber ein fragender Mensch und bin froh, dass es den Apostel Thomas gibt, der im Johannes-Evangelium zum Glauben an die Auferstehung findet, weil er die Wunden des Auferstandenen berühren kann. 

Der Glaube bekennt, dass der Gekreuzigte identisch ist mit dem Auferstandenen. Alles, was Jesus getan, gesagt und gewirkt hat, ist auf Golgotha nicht gestorben, sondern lebendig. Ich finde, beim Glauben ist es wie mit der Liebe. Wer sich auf den anderen wirklich verlässt, braucht keine Liebesbeweise mehr. Weil die Liebe ja schon längst da ist.  
Stefan Notz

3. Sonntag der Osterzeit

Das Leben hat zwei Seiten, die uns in Bewegung halten: die eine Seite ist der Misserfolg und die andere Seite ist der Erfolg. Enttäuschung und Glück. Das eine wehren wir ab, weil es uns schockt, dem anderen halten wir die Hände entgegen. Beide Seiten des Lebens kann ich als Bewährungsproben des Glaubens verstehen. So möchte ich die Erfahrung der Jünger am See von Tiberias (Joh 21,1-14) deuten. Sie befinden sich mit Petrus auf dem See und sind enttäuscht: Sie haben nichts gefangen. Was denken diese erfahrenen Fischer? Welche Gefühle haben sie angesichts der leeren Netze? Ich weiß es nicht. Der Evangelist berichtet, dass eine Wende eintritt als der Herr zu ihnen kommt und sie um etwas zu essen bittet. Das trifft sie erneut, denn sie haben nichts und das zeigt erneut ihre ganze Ohnmacht. Christus überwindet ihre Verlegenheit. Er ruft ihnen zu das Netz erneut auszuwerfen. Da erkennt Johannes den Herrn und sagt es Petrus. Der ist außer sich und springt in den See. Alles hat sich gewandelt. Die Enttäuschung ist wie weggeblasen die Netze, die sie ins Boot ziehen, sind voll. Was für ein eindringliches Zeichen für die einzigartige, unfassbare Überlegenheit des Herrn. Er kann Hoffnungslosigkeit und Enttäuschung wenden. Wir erleben heute viel Unsicherheit angesichts der Krisen und Gefährdungen in der Welt, in der Gesellschaft und in unserer Kirche. Ich vertraue darauf, dass Jesus kommt – auch heute. Er lädt uns ein: Kommt und esst. Schön, wenn wir wie die Jünger nicht zu fragen wagen: Wer bist du? Denn wir dürfen uns freuen: Es ist der Herr!
Stefan Notz

4. Sonntag der Osterzeit

Wo immer Menschen etwas darzustellen suchen, was ihnen wichtig ist, suchen sie Bilder zu schaffen. Die Christen des Anfangs stellten Jesus in ihren bildlichen Darstellungen nicht vor als Herrscher, Lehrer oder Richter, sondern als Hirten mit einem Schaf auf der Schulter, eines wohl, das sich verlaufen hat, das nun erschöpft ist und das er, der Hirte, nun heimträgt. Anlass, ihren Herrn so darzustellen, gab den frühen Christen das Evangelium. Im Evangelium des Johannes lese ich: dem guten Hirten folgen die Schafe, denn sie kennen seine Stimme. Jesus Christus ist der Hirt, der sein Leben für die Seinen gibt. Er hat sich nicht geschont, das, was er uns von Gott auszurichten hatte, in sein eigenes Fleisch und Blut zu übersetzen. Seine Botschaft heißt: So viel bist Du mir wert! Je mehr wir Jesus Christus kennen, werden wir entdecken, dass sein Weg wahr ist und uns Leben schenkt. Der Hirte Jesus Christus sagt: ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben. Vgl. Joh10,10. Der Anfang ist schon gemacht. Jedesmal wenn ein Mensch sagt: ich bin eine Christin, ein Christ, dann heißt das soviel wie sagen: Diesen Anfang lasse ich nie mehr los. Und ich mache weiter damit.
Stefan Notz

5. Sonntag der Osterzeit

Der Heilige Augustinus (+430) schreibt in seinen Vorträgen über das Johannesevangelium: “Der Weg ist das, worauf man geht; ist etwa der Weg auch der, wohin man geht?“ Augustinus denkt über das Wort Jesu nach: „Ich bin der Weg“. Dieses Wort aus dem Johannesevangelium (14,6) wird verkündet am 5. Sonntag der Osterzeit: Wege bestimmen unser Leben. Jeden Tag aufs Neue sind wir auf ihnen unterwegs, zur Schule oder zur Arbeit, zum Einkaufen oder zur Arztpraxis. Wir können sagen, dass unser ganzes Leben einem einzigen Weg gleicht. Er beginnt mit der Geburt und endet am Tag unseres Todes. Wir fragen uns manches Mal, wohin uns der eigene Lebensweg führt? Mit den Jüngern im Evangelium gesprochen: „Wie können wir den Weg kennen?“ Jesus nennt sich selbst „der Weg“. Es ist der Weg zu Gott, seinem Vater. Für mich steckt darin eine Zusage: Immer wenn ich vor Entscheidungen bzw. Weggabelungen stehe und überlege, wie es weitergehen soll, darf ich auf Jesus Christus blicken. Er hat sein Leben bis zuletzt in die Hände seines Vaters gelegt. In diesem Vertrauen kann ich meinen Weg gehen – auch wenn Stress und Belastungen ermüden. „Der Weg ist das, worauf man geht; ist etwa der Weg auch der, wohin man geht?“. Für mich beantworte ich das mit einem klaren Ja. „Herr, zu wem sollten wir gehen. Deine Worte bringen das ewige Leben“ (vgl. Joh 6,69).
Stefan Notz

6. Sonntag der Osterzeit

Fünfzig Tage umfasst die österliche Zeit. Mit dem 50. Tag, dem Pfingsttag endet der Osterfestkreis in der Liturgie der Kirche. Der Heilige Geist ist die Gabe Gottes nach der Auferstehung und Himmelfahrt Jesu Christi. Der Evangelist Johannes lässt Jesus sagen: Der Heilige Geist wird bei euch und in euch sein – vgl. Joh14,17. Um diesen Geist Gottes beten wir. Er möge in seiner Kirche wehen und wirken. Die Bittprozessionen vor Christi Himmelfahrt eigenen sich für das Gebet um den Heiligen Geist ebenso gut wie das Pfingstgebet, das wir in der Wallfahrtskirche in Marienbaum an neun Abenden, beginnend am 19. Mai halten. Was nach biblischem Zeugnis an Pfingsten geschah (vgl. Apg2, 1- 11), hätte kein Mensch für möglich gehalten. Denn tatsächlich schlossen sich viele Menschen den Jüngern Jesu an. Sie ließen sich ein auf Jesus: Arme und Reiche, Alte und Junge, Geschäftsleute und Bettler, Ausländer und Einheimische. Sie alle spürten – und das kann auch heute geschehen - wie sehr sie verwandelt wurden, weil sie sich von Jesus mehr zu Gott hinziehen ließen. Sie spürten neue Kraft, die in der Pfingstgeschichte im Bild der Feuerzungen beschrieben wird. Sie gewannen Mut Christus zu verkünden und verloren die Angst um sich selber und voreinander. Ich wünsche uns allen, dass die kommenden Feiertage uns tiefer in das Ostergeschehen führen. Ostern und Pfingsten schenken mehr als nur freie Tage. Sie schenken die Freiheit der Kinder Gottes.
Stefan Notz

7. Sonntag der Osterzeit

Im Evangelium des 7. Sonntags der Osterzeit betet Jesus. Er betet nicht für sich selbst, sondern für uns: „Für sie bitte ich; für alle, die du mir gegeben hast; denn sie gehören dir“. vgl. Joh17,9. Jesus betet um Einheit, die wegnimmt, was trennt. In einer Predigt erzählt Prof. Klaus Müller aus Münster folgende Begebenheit: Im Jahr 1888 starb in Roermond ein Ehepaar, die Frau wenige Monate nach dem Mann. Die beiden waren konfessionsverschieden gewesen, er katholisch, sie evangelisch. Wegen des Streits der Konfessionen war es strikt untersagt, dass beide in einem gemeinsamen Grab bestattet wurden. Aber weil die Verwandten wussten, wie sehr sich die beiden geliebt hatten, ersannen sie einen Ausweg. Der evangelische und der katholische Friedhof lagen direkt nebeneinander und waren nur durch eine Mauer getrennt. So legte man die beiden Gräber mit dem Kopfende unmittelbar an die Trennmauer und zog die Grabsteine so hoch, dass sie die Mauer überragten. Und an der Spitze wurden die beiden verbunden durch einen Marmorstein in der Gestalt zweier Hände, die einander festhielten. Jesus betet für uns, für seine Kirche. Er betet um die Macht der Liebe. Die Liebe ist erfinderisch. Keine Trennung kann ihr widerstehen. Je mehr die Kirche sich auf diese Botschaft besinnt wird sie sein können, wozu es sie überhaupt gibt. Darum beten wir in diesen Tagen.
Stefan Notz

Pfingsten

Die Pfingsterzählung aus der Apostelgeschichte (2,1-11) treibt so mancher Lektorin und so manchem Lektor die Schweißperlen auf die Stirn. Es ist eine echte Herausforderung, die dort stehenden Ländernamen alle korrekt auszusprechen: „Wieso kann sie jeder von uns in seiner Muttersprache hören: Parther, Meder und Elamiter, Bewohner von Mesopotamien, Judäa und Kappadozien, von Pontus und der Provinz Asien, von Phrygien und Pamphylien, von Ägypten…“ Manchmal sagen die Pfarrer den Lektoren: „Ach, lassen Sie die Namen doch einfach weg, die kennt ja doch niemand…!“ Das ist leicht gesagt. Doch damit wäre ein ganz wesentlicher Inhalt vom Pfingstfest gestrichen. Damit wäre ein zentraler Aspekt von Kirche ausgeklammert. Von Ihrer Geburtsstunde an spricht die Kirche in vielen unterschiedlichen Sprachen und ist doch eins in demselben Geist. Darum geht es am Pfingstfest. Die vielen Sprachen und Kulturen öffnen einen weiten Horizont. Er führt über die politischen und kulturellen Grenzen hinaus. Der Heilige Geist wirkt in der Vielfalt der Sprachen und er bewirkt die Einheit im Verstehen. Ein pfingstliches Wunder! Die pfingstliche Erkenntnis lautet: Die Fremden sind unsere Freunde, weil sie Freunde Gottes sind! Damit verbietet sich jede nationale Arroganz, jede Überheblichkeit anderen Sprachen und Kulturen gegenüber. Gott schenkt uns durch andere Menschen etwas, was ich nur durch sie erfahren kann. Wie schön wäre es, wenn unsere Kirche sich zeigen und bewähren könnte als eine im Heiligen Geist geeinte Verschiedenheit. Einheit in Vielfalt. Das ist meine Hoffnung für unsere Welt. Das ist mein Pfingstwunsch für Sie und für Euch.
Stefan Notz

Dreifaltigkeitssonntag

An diesem Sonntag schreibe ich, Stefan Notz, keinen eigenen Gedanken auf, sondern gebe Ihnen den Impuls von Pater Binu John OIC weiter, den er mir in dieser Woche zugesandt hat. Binu John und ich haben in Kleve zusammen in der Seelsorge gewirkt. Er ist jetzt in Dülken, St. Cornelius und St. Peter im Bistum Aachen eingesetzt: In Gärtnerkreisen heißt der Juni auch Rosenmonat, da die Rosenblüte im Juni ihren Höhepunkt erreicht. Am 1. Sonntag im Juni feiern wir den Dreifaltigkeitssonntag. Es ist das komplizierteste Fest des ganzen Kirchenjahres. Ein Gott in drei Personen, wie kann ich mir das vorstellen? Ich versuche es so: Wir alle kennen Wasser in unterschiedlichen Formen. Es zeigt sich als flüssiges Wasser, als Eis und als Dampf, aber es ist immer das gleiche Material. Gott in drei Personen – bei jedem Kreuzzeichen werden wir daran erinnert, wenn wir sagen „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ Der Vater, der Schöpfer der Welt, der seinen Sohn in unsere Welt gesandt hat. Und der Sohn hat gesagt: „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen.“ Und er hat versprochen, den Hl. Geist zu senden, dass er bei uns bleibt und in uns ist. Die heiligste Dreifaltigkeit in Liebe in sich, vollkommene Liebe! In Jesus hat der Vater für uns alle sichtbar gezeigt, Gott ist Liebe, die nicht bei sich bleibt, sondern sich selbstlos dieser Welt mitteilt in Jesus Christus durch seinen Geist. Durch den Heiligen Geist ist Gott lebendig in unserer Mitte. Durch ihn ist Gottes Liebe in uns. Ja, er ist der Gott in uns. Wir sind Tempel, Wohnung des Heiligen Geistes. Ist nicht die Rose ein Symbol für Liebe? Lassen wir uns in diesem Rosenmonat immer wieder an die Liebe des dreifaltigen Gottes erinnern.
Pater Binu John, Pfarrei Dülken im Bistum Aachen

10. Sonntag im Jahreskreis

„Folge mir nach!“ So ruft Jesus Levi, den Zöllner. Levi (Matthäus) stellt keine Nachfrage, er bittet um keine Bedenkzeit. Da ist nur Ruf und Antwort. Und zwar endgültig, da Matthäus die Zwölfergruppe nicht mehr verlässt. Es zeigt sich ein Vertrauen, dass der Apostel Paulus an Abraham rühmt: „Er zweifelte nicht im Unglauben an der Verheißung Gottes, sondern wurde stark im Glauben, (…) fest überzeugt davon, dass Gott die Macht besitzt zu tun, was er verheißen hat.“ (Röm4,20) Der Ruf Gottes zwingt den Menschen nicht, sondern gibt ihm sowohl die Freiheit wie die Kraft, aus eigenem Antrieb zu folgen. Im Ruf „Folge mir“ liegt ein Klang, der beides enthält: dass hier einer spricht, der mich zu meiner bestmöglichen Entscheidung befähigt und, indem er mich braucht, auch den bestmöglichen Lebensinhalt schenkt. Jesus ruft den Zöllner Matthäus. Er gilt als Sünder. In der Vollmacht Gottes ruft Jesus an seinen Tisch, die Zöllner und Sünder und auch uns. „Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken.“ (vgl. Mt 9,12) Ich höre im Wort des Evangeliums den Ruf des heilenden Arztes Jesus Christus. Er ruft in seine Tischgemeinschaft, die in der Bibel immer eine religiöse Seite hat: Beziehung von Gemeinschaft untereinander, aber in Gott. Die Mahlgemeinschaft Jesu mit den Sündern ist also Ausdruck des heilenden Erbarmens Gottes, das sich in Jesus, als dem Arzt äußert. Er teilt sich selbst aus als höchstes Heilmittel. Ich wünsche uns allen, das wir es gerne annehmen.
Stefan Notz

11. Sonntag im Jahreskreis

Jesus sieht die vielen Menschen. Sie sind müde und erschöpft. Sie fragen nach der Wegrichtung. Der Evangelist Matthäus merkt an: „Sie waren wie Schafe, die keinen Hirten haben.“ (Mt 9,36) Wie oft sind wir müde und erschöpft vom Alltag, vom Stress, der über uns hereinbricht oder den wir uns selber machen? Wer Zeiten der Erholung nehmen kann oder sich einen Urlaub leisten kann, ist gut dran. Jesus geht es nicht nur um die Erfrischung an Leib und Seele, sondern um die Freude am Reich Gottes. Die ist in Jesus Christus schon mitten unter uns, aber er sucht Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich den Menschen zuwenden: „Geht und verkündet: das Himmelreich ist nahe. Heilt Kranke, weckt Tote auf, macht Aussätzige rein, treibt Dämonen aus!“ Die Mitstreiter Jesu müssen etwas von der Art und Kraft seiner Sendung erhalten. Die Apostel lassen sich von der Art und Kraft Jesu prägen. Sie werden von Jesus ausgesandt, um die Frohe Botschaft von der Liebe und Barmherzigkeit Gottes zu verkünden. Im Evangelium des Sonntags heißt es: „Jesus hatte Mitleid“. Unser Gott kann mit uns leiden. Er ist Liebe, die mitgeht bis hinein in Sterben und Tod. Die Apostel haben das bezeugt im Leben und im Tod. Jesus Christus sucht auch heute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. „Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter. Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden.“

Während der kommenden Wochen der Schulferien in NRW schreibe ich keine Geistlichen Gedanken zum Sonntag. Im August nehme ich das Schreiben wieder auf und wünsche Ihnen und Euch eine schöne Sommerzeit.

Stefan Notz

Verklärung des Herrn

Die Schulferien sind nun vorbei. Für die Schülerinnen, die Schüler und Familien beginnt der Alltag mit all seinen Routinen. Der Wecker klingelt wieder früher, die täglichen Wege zur Schule und zurück werden wieder begangen und viele Gewohnheiten bestimmen den Tagesablauf der Familien. Routine hat viel für sich. Sie gibt Verlässlichkeit und Sicherheit. Routinen erlauben mir, dass ich nicht alles neu denken oder erfinden muss. Durch Routine ist es ja schon eingeübt. Wenn aber Gott ins Spiel kommt, hört die tägliche Routine auf. An zwei Beispiele denke diesbezüglich ich in dieser Woche: Da ist der Selige Karl Leisner, dessen Grab sich in der Krypta unseres Domes befindet. Am 12. August ist sein Sterbetag. Er hat das Evangelium von Jesus Christus in einer Zeit sprechen und gelten lassen, als die  damaligen Machthaber sich selbst als Herren der Welt stilisiert hatten. Von diesen Machthabern würde nicht das Heil der Welt kommen - das war Karl Leiser völlig klar. Nicht nur aus der täglichen Routine eines Studierenden wurde Karl Leisner von den Nazis gerissen, sondern man raubte ihm sein Leben . Sechs Jahre wurde er im KZ Dachau gemartert. An diesem Sonntag feiert die Kirche das Fest der Verklärung des Herrn. Die Jünger sind mit Jesus – wie jeden Tag – unterwegs. Aber das vertraute Unterwegssein, die Alltagsroutine im Umgang mit ihrem Herrn Jesus wird unterbrochen durch eine tiefe Erfahrung. Oben auf dem Berg erkennen sie  in Jesus Gottes Sohn. Lichtvoll und durchdringend wird die Erfahrung vom Evangelisten geschildert. Mitten im Alltag und inmitten der täglichen Gewohnheiten durchbricht die Erfahrung Gottes jede Routine. Die Jünger können den Moment nicht festhalten, aber sie gewinnen neue Kraft. Jesus sagt Ihnen: Steht auf, habt keine Angst! Karl Leisner konnte seine Angst im Vertrauen auf Gott überwinden. Ich wünsche Ihnen und mir einen Alltag, der routiniert Sicherheit und Verlässlichkeit bietet, aber offen ist für die Erfahrung des lebendigen Gottes in allen Dingen.

Stefan Notz

19. Sonntag im Jahreskreis

Wer am Niederrhein mit dem Fahrrad unterwegs ist, hat immer wieder mit Wind und manchmal auch mit kräftigem Gegenwind zu tun. Bei starken Böhen kann es auch zu Fuß anstrengend sein gegen den Wind zu gehen. Die Jünger Jesu, von denen an diesem Sonntag die Rede ist, geraten mit ihrem Fischerboot in einen heftigen Sturm. Sie drohen unterzugehen und haben Angst. Mitten im Sturm begegnet ihnen Jesus. Aber sie erkennen Jesus nicht. Sie halten ihn für ein Gespenst. Erst als Jesus zu ihnen spricht: „Habt Vertrauen. Ich bin es“, fassen sie langsam neuen Mut. „Komm!“ sagt Jesus zu Petrus. Fast übermütig will Petrus über das Wasser auf Jesus zugehen, beginnt dann aber zu versinken. Jesus ergreift seine Hand. Er ist gerettet. Petrus und die Jünger machen eine wichtige Erfahrung: der Glaube kann Kraft und Halt geben, wenn Angst und Zweifel übermächtig werden wie beim Sturm auf dem See. Ich wünsche Ihnen und mir ein Gottvertrauen, dass Seine Hand uns greift und trägt und hält – jeden Tag, durch unser ganzes Leben und sogar durch den Tod.

Stefan Notz

20. Sonntag im Jahreskreis

Jesus begegnet im Sonntagsevangelium (Matthäus 15,21-28) einer kanaanäischen Frau. Der Name der Frau ist unbekannt. Dieser Frau verdanken wir, so deute ich es einfach mal,  dass wir Christinnen und Christen sein können. Sie ist – wie wir – geborene Heidin;  sie entstammt nicht dem Judentum. Ich halte sie für so etwas wie unsere Stammmutter im Glauben. Ohne die kanaanäische Frau hätte es vielleicht keine Christen außerhalb des Judentums gegeben. Ob die junge Kirche  sich ohne diese Frau  getraut hätte, unter den Heiden Christus zu verkünden? Jesus, dessen Sendung vom Vater „den verlorenen Schafen des Hauses  Israel“ gilt, bescheinigt ihr: „Frau, dein Glaube ist groß.“ Ich finde diese Geschichte wunderbar. Nichts an unserer Menschenwelt ist Gott so fremd oder fern, dass es nicht Ausdruck seiner Leidenschaft für uns werden könnte. In Jesus Christus ist das Trennende von Juden und Heiden aufgehoben. Der beharrliche Glaube der Frau zeigt eine Gottesspur, die Menschen und Religionen verbindet. Sie kann im Gespräch der Religionen hilfreich sein. Entdecken wird das, wer nicht zu klein von Gott und nicht zu klein von sich selber denkt.

Stefan Notz

21. Sonntag im Jahreskreis

Zwei Bildworte prägen im Evangelium des Sonntags (Mt16,13ff.) die Antwort Jesu auf das Glaubensbekenntnis von Petrus: das Bildwort vom Felsen und das von den Schlüsseln. Zuerst der Fels: Gott selber wird Fels genannt, z.B. in den Psalmen, das heißt, Er ist das Fundament, auf das man sich unbedingt verlassen kann. „Von Gott kommt mir Hilfe, nur er ist mein Fels“ (Ps62,3) Jesus nennt Petrus den „Fels, auf den er seine Kirche bauen will“. Der Glaube ist verlässlich (felsenfest) allein durch Gott und Christus. Das Fundament baut nicht der Mensch, sondern Gott selbst. Das zweite Bildwort sind die Schlüssel: sie versinnbildlichen Verantwortung. Jesus Christus ist der Schlüssel zum Geheimnis Gottes. Jesus gibt dem Petrus persönlichen Anteil an seiner  Vollmacht: „Was du auf Erden lösen wirst, wird auch im Himmel gelöst sein.“. Obwohl Petrus am Karfreitag seinen Herrn verleugnete, hat Jesus seine Berufung nie rückgängig gemacht. Trotz der Schwachheit macht Jesus einen Menschen zum besonderen Zeichen für Gottes Treue zu uns. Einem Petrusnachfolger wie Papst Franziskus, der dieses Menschliche ahnbar macht, fühle  ich mich verbunden.

Stefan Notz

22. Sonntag im Jahreskreis

Jesus wirft im Matthäusevangelium des Sonntags (Mt16,21-27) dem Petrus vor: „… du hast nicht das im Sinn, was Gott will.“ Wer gibt Auskunft, was Jesus heute will? Viele sind ratlos, weil in der Welt und in der Kirche seit den ersten Zeiten der Christenheit sich so ziemlich alles geändert hat. Die Probleme, die wir heute angehen müssen, sind anders als damals. Wir haben den Konflikt der Generationen, wir suchen nach einem alternativen Lebensstil, wir sehen die unglaubliche Diskrepanz zwischen armen und reichen Ländern, wir denken und leben neue Formen von Familie. Manche Zeitgenossen sind enttäuscht, weil die alten Vorstellungen und Lehrsätze zu unseren Aufgaben und Problemen nicht mehr passen, unbrauchbar geworden sind. Sie kommen sich hilflos und verlassen vor. Was will Jesus heute?
Eines ist für mich deutlich: Jesus beantwortet nicht unmittelbar alle unsere Einzelfragen, er bietet keine Lösungen an wie ein Computer. Aber er schenkt seinen Geist, er vermittelt den entscheidenden Ansatz, um weiter zu kommen. Jesus bietet seine Freundschaft an. Er sucht den Menschen, er sucht dich und mich. In und durch in gewinnen wir Leben.

Stefan Notz

 

23. Sonntag im Jahreskreis

„Wenn dein Bruder oder deine Schwester sich gegen dich verfehlt, geh` hin und kläre den Konflikt zwischen euch unter vier Augen.“ (Mt18,15). Im Evangelium des Sonntags  fordert Jesus eine schnelle Versöhnung. Für mich ist das oft schwer umzusetzen. Ich neige zum Aufschieben, bin träge oder nachlässig. »Vertrage dich ohne Zögern mit deinem Widersacher, solange du noch mit ihm unterwegs zum Gericht bist.“ Es stellt sich die Frage: Wer ist der Gegner? Ist es ein Mensch, der mit mir einen Rechtsstreit angefangen hat und mich jetzt vor Gericht schleppt? Oder ist es das fordernde Wort Gottes, zu dem ich mich durch mein Urteil über eine andere Person in einen Gegensatz gebracht habe und das mich jetzt vor sein Gericht stellen will?  Als Mensch und als Christ habe ich Verantwortung. Worte können verletzen,  manchmal  unbeabsichtigt. Ich muss umgehen mit meinen Fehlern und den Fehlern anderer. Es gelingt mir manchmal gut. Oftmals nicht. Paulus kommentiert im Römerbrief (13,8): „Bleibt niemand etwas schuldig; nur die Liebe schuldet ihr einander immer.“

Stefan Notz

24. Sonntag im Jahreskreis

Kreuzerhöhung

Charles de Foucauld sagt: „Wie ER werden wir immer das Kreuz haben;  Wie ER werden wir immer verfolgt sein; Wie ER werden wir immer dem Schein nach besiegt werden; Wie ER werden wir immer in Wirklichkeit triumphieren.  Und zwar im Maß, als wir der Gnade treu sind, als wir Ihn in uns leben;  in uns und durch uns handeln lassen.“ Das Fest „Kreuzerhöhung“ erinnert an die Auffindung des „wahren Kreuzes Christi“ durch die Kaiserin Helena im Jahre 326 n. Chr. Neun Jahre später wurde  den Gläubigen  zum ersten Mal in der Jerusalemer Grabeskirche das Kreuzesholz gezeigt - „erhöht“ und zur Verehrung dargereicht. Ich sehe im Kreuz  das Schwere, das Leid, das Dunkle  das zum Leben gehört. Ich verschließe mich ihm nicht – mit ausgebreiteten Armen öffne ich mich. Das Kreuz lässt mich einen  Gott erahnen, der uns einem neuen Morgen entgegenführt.

Stefan Notz

25. Sonntag im Jahreskreis

Ein Ärgernis ist das. Die Arbeiter, die nur eine Stunde gearbeitet haben, erhalten denselben Lohn wie jene, die den ganzen Tag geschuftet haben. Das Gleichnis Jesu empört alle, die sich für gerechte Entlohnung einsetzen. Jesus spricht im Gleichnis vom Reich Gottes. Gott ist gütig. Das Reich Gottes steht offen für Erste und Letzte. Das kann unsere Haltung zu aktuellen Gerechtigkeitsdebatten öffnen. Wir dürfen dankbar sein, dass wir in Freiheit leben können. Dies sollte uns aber nicht dazu verführen, angesichts weltweiten Elends und Unrechts die Augen zu verschließen und unsere Grenzen für jeden Hilfesuchenden unüberwindlich zu machen. Die Flüchtlinge, die zu uns kommen, sind Teil einer großen Flüchtlingsbewegung, die von Süden nach Norden, von Osten nach Westen treibt. Sie konfrontieren uns mit den Ursachen ihrer Flucht. Es ist zukunftsentscheidend, ob wir uns ihnen zuwenden und helfen, die Situation in ihren Heimatländern zu verbessern.
Jesus ist Grund und Ziel unseres Einsatzes für eine gerechtere Welt. Er lehrt uns, die Realitäten mit den Augen der Opfer zu sehen; er weckt den Hunger und Durst nach »Gerechtigkeit für alle«; er schenkt die Verheißung »eines neuen Himmels und einer neuen Erde, in denen die Gerechtigkeit wohnt« (2 Petr 3,13). Darauf hoffen wir, darum beten wir, daran dürfen und müssen wir mitarbeiten.

Stefan Notz