Zeit für mich - Zeit für Gott

Impulse von Propst Stefan Notz

32. Sonntag im Jahreskreis

“In Gottes Namen glücklich voran” - so lautet der Wahlspruch des Heiligen Willibrord, des für den Niederrhein so wichtigen Glaubensboten. Er wurde 658 in England geboren und kam nach Studien in Irland mit 12 Gefährten nach Friesland. Mit fränkischer Hilfe und mit päpstlichen Segen wurde er zum Erzbischof der Friesen geweiht. Das Kloster Echternach lag ihm besonders am Herzen. Dort verstarb er 739 und wurde dort begraben. Bei der diesjährigen Echternacher Springprozession wurde uns, den Pilgern aus Xanten – Wardt, eine Reliquie des Heiligen Willibrord überreicht vom Luxemburger Erzbischof Jean-Claude Kardinal Hollerich . Der Kardinal hat die Reliquie für die St. Willibrord-Kirche in Wardt gegeben und sich bei den Wardtern für die Verehrung des Heiligen bedankt. Die Reliquie wurde von der Propsteigemeinde in ein würdiges Segensreliquiar eingesetzt, mit dem die Wardter Gemeinde zum diesjährigen Patronatsfest erstmalig gesegnet wird. In Dei Nomine Feliciter- in Gottes Namen glücklich voran! Ein gutes Leitwort auch für uns.

Stefan Notz

31. Sonntag im Jahreskreis

Die Kirche vergisst die Verstorbenen nicht. Täglich - nicht nur an Allerseelen – gedenkt die Kirche der Verstorbenen in der Feier der Heiligen Messe. Die Messfeier ist die Gedächtnisfeier des Todes und der Auferstehung Christi. Die Kirche gedenkt der Toten in der Überzeugung, dass der Tod, das biologische Finale, keinen absoluten Schlusspunkt setzt. In Todesanzeigen ist von Auferstehung oder christlicher Zuversicht nicht immer etwas zu spüren. Im christlichen Verständnis bedeutet der Tod schließlich nicht Exitus – Aus, sondern Transitus, also Übergang und Umwandlung in eine völlig neue Daseinsweise. Im Gottesdienst für die Verstorbenen wird gebetet: “Deinen Gläubigen, o Herr, wir das Leben gewandelt, nicht genommen.... ihnen wird im Himmel eine ewige Wohnung bereitet.” Der Mensch ist zu einem ewigen Leben bei Gott berufen. Diese Hoffnung haben wir durch Jesu Sieg über den Tod; denn die Auferstehung Christi ist der Präzedenzfall für alle Menschen, weil er “für sie starb und auferweckt wurde” (2Kor5,15). Im St. Viktor Dom ist auf der Öffnung zur Krypta zu lesen: mors porta vitae - der Tod ist die Tür zum Leben. Wo der Glaube an die Auferstehung und die Vollendung durch Gott erlischt, wird auch die Erinnerung an die Toten verblassen. Das Fest Allerheiligen lenkt unsere Hoffnung auf die Vollendung. Die Heiligen haben den Himmel schon geschenkt bekommen – auf immer. Und der Gedenktag Allerseelen mit der Segnung der Gräber hält die Erinnerung an unsere Verstorbenen wach sowie unsere Glaubensüberzeugung, dass wir Christen genauso trauern wie alle anderen Menschen auch, aber wir trauern “nicht als Menschen, die keine Hoffnung haben” (vgl. 1 Thess4,13). In einem Lied, das oftmals bei Beerdigungen gesungen wird, heißt es: Nur einer gibt Geleite, das ist der Herre Christ. Er wandert treu zur Seite, wenn alles uns vergisst. Ich wünsche uns christliche Zuversicht durch die Feier von Allerheiligen und Allerseelen.

Stefan Notz

30. Sonntag im Jahreskreis

„Gott, ich danke dir, dass ich nicht wie die anderen Menschen bin, die Räuber und Betrüger oder wie dieser Zöllner dort.“ (Lk18,11) Im Sonntagsevangelium spricht aus dem Gebet eines Pharisäers viel Selbstgerechtigkeit. Wer von uns hätte sich nicht schon einmal mit anderen Menschen verglichen oder sich moralisch anderen gegenüber überlegen gefühlt? Auch Gläubige können der Selbstüberschätzung erliegen. Das kann in üblichen Formulierungen durchscheinen, wenn zum Beispiel in einer Fürbitte gebetet wird: Gib, o Herr, dass alle erkennen…. – Klammer auf – wie wir selbst schließlich schon lange erkannt haben…“ Die Erzählung des Lukas vom Pharisäer und dem Zöllner kann uns sensibilisieren, damit es uns nicht so ergeht, wie einem Menschen im Gedicht von Eugen Roth. Das Gedicht macht deutlich, dass auch Christen mächtig in den Fettnapf der Selbstgerechtigkeit treten können: „Ein Mensch betrachtete einst näher das Gleichnis von dem Pharisäer, der Gott gedankt voll Heuchelei dafür, dass er kein Sünder sei. Gottlob, sprach er in eitlem Sinn, dass ich kein Pharisäer bin.“ Einen frohen Start in die neue Woche wünscht Ihnen

Stefan Notz

29. Sonntag im Jahreskreis

Ein altes Sprichwort sagt: Not lehrt beten. Das stimmt oft. Aber es ist nur die halbe Wahrheit. Denn genauso oft geschieht es, dass gerade in der Not das Beten selber auch noch zur Not wird. Wenn etwas mal so richtig schief gelaufen ist, fängt mancher zu beten an, dem in der Zeit davor Gott und Glaube mehr oder weniger gleichgültig geworden waren. Hilf mir!, wird dann gebetet. Hilf mir, Gott, dass ich wieder herauskomme aus der ganzen Verfahrenheit! Das Evangelium (Lk 18, 1-8) stellt die Frage: Wird der Menschensohn, wenn er kommt, auf der Erde noch Glauben finden? Mit dieser Frage wird angedeutet, woran es beim Beten oft am meisten fehlt: Am Glauben der Betenden! Jesus macht in seinem Gleichnis deutlich, dass wir uns Gott nicht zunutze machen können. Wer wirklich aus dem Glauben betet, hängt sich an Gott und lässt sich von ihm durch alles hindurchtragen, was kommen mag. In einer jüdischen Erzählung sagt Rabbi Pinchas: „Betende, die sich an Gott hängen, gleichen einem Königsohn, der sich aus den Schätzen seines Vaters holt, was ihm nottut.“ Ich verstehe es so: Wenn mein Beten aus dem Glauben und von Herzen kommt, meint es Gott selbst und nur ihn. Alles andere darf ich ihm überlassen.

Stefan Notz

28. Sonntag im Jahreskreis

Namenstage und Namensfeste haben im Kalender unserer Kirche einen festen Platz. Am 10. Oktober ist es der Name des Heiligen Viktor und seiner Gefährten. Sie sind frühe Zeugen des Glaubens und haben ihr Leben zu einem Zeugnis der Christusnachfolge gemacht. Für Christen sind Märtyrinnen und Märtyrer Heilige, das heißt Menschen, die das Evangelium von Jesus Christus kennen und als Getaufte ihre Lebensführung danach ausrichten. Unsere Gefühle täuschen uns. Die Märtyrerverehrung wird zu etwas Unverständlichem. Es fällt uns modernen Menschen schwer, wenn Menschen vom Opfertod und dem Ertragen von Qualen berichten und dies als etwas Gutes interpretieren. Liest man allerdings die Quellen unvoreingenommen, wird deutlich, dass es bei der Rede von den Blutzeuginnen und Blutzeugen um das Leben und um eine angemessene Lebensführung geht. Es geht insbesondere in der frühen Zeit des Christentums um die Vorstellung davon, wie Leben zu führen sei und dadurch ein höheres, ewiges Leben gewonnen werden könne. Alle Kulturen kennen Formen des Totenkultes und der Erinnerungsrituale an Verstorbene. Eine Funktion dabei ist die Stiftung von Identität. Indem wir uns an Heilige Frauen und Männer erinnern, binden wir uns als Einzelne an profilierte Vorbilder wodurch die religiöse, kulturelle oder politische Gemeinschaft ihrerseits an Erkennbarkeit und Profil gewinnt. Eine spannende Frage ist für mich, wie heute Identitäten und Profile gewonnen werden? Welche Rolle spielt Jesus Christus dabei? „Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht töten können (…) Wer sich vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem werde auch ich mich vor meinem Vater im Himmel bekennen.“ (Mt10,28)

Stefan Notz

27. Sonntag im Jahreskreis

Mit dem Rosenkranzfest und der Marientracht endet in Marienbaum die Wallfahrtszeit. Wir ehren Maria, die sich auf Gott eingelassen hat und Jesus zur Welt bringen konnte. Wer wie Maria in Gott verwurzelt ist, der kann anderen Menschen Heimat geben, Heimat bei Gott. Maria zeigt mir, dass Gott tatsächlich beim Menschen ankommt. Maria hat Gott eingelassen in ihr Leben. So konnte Gott Wohnung unter den Menschen nehmen. Papst Benedikt XVI. veröffentliche im Jahr 2005 ein Rundschreiben mit dem Titel „Gott ist Liebe“ (Deus Caritas est). Darin nimmt er ein Gebet auf: „Heilige Maria, Mutter Gottes, du hast der Welt das wahre Licht geschenkt, Jesus, deinen Sohn – Gottes Sohn. Du hast dich ganz dem Ruf Gottes überantwortet und bist so zum Quell der Güte geworden, die aus ihm strömt. Zeige uns Jesus. Führe uns zu ihm. Lehre uns ihn kennen und lieben, damit auch wir selbst wahrhaft Liebende und Quelle lebendigen Wassers werden können inmitten einer dürstenden Welt.“ Ja, die Welt hat Durst nach Frieden und Gerechtigkeit. Wo Menschen Gott Einlass gewähren in das eigene Leben, kann er sie zu neuen Menschen machen. Der Apostel Paulus schreibt: "Zieht den neuen Menschen an, der nach Gottes Urbild geschaffen ist" (Epheserbrief). Maria lehrt uns Jesus lieben. Durch uns möchte Jesus heute zur Welt kommen, zu den Menschen und in die großen Fragen unserer Zeit.

Stefan Notz

26. Sonntag im Jahreskreis

Alles hat seine Zeit. Es geht im Leben und im Glauben um den rechten Zeitpunkt. Jesus lenkt die Aufmerksamkeit immer wieder auf das „Heute“. Was Gott wirkt und schenkt, geschieht im Heute, im Jetzt. In einem Lied, das ich schon als Schüler in den Schulgottesdiensten gerne gesungen habe, heißt es: „Jetzt ist die Zeit, jetzt ist die Stunde, wo getan wird oder auch vertan, worauf es ankommt, wenn ER kommt.“ Im Sonntagsevangelium wird einem Menschen bewusst, dass es viele Augenblicke, Gelegenheiten und Chancen im Leben gegeben hat, die nicht genutzt wurden. Eine schmerzliche Erkenntnis ist das für einen reichen Menschen in der Erzählung Jesu (Lk 16,19-31) „Erinnere dich daran, dass du schon zu Lebzeiten deine Wohltaten erhalten hast.“ Das Evangelium von Lazarus und dem reichen Mann ist eine Einladung den Augenblick zu nutzen bevor er vorübergegangen ist. Viele ungenutzte Gelegenheiten tun uns im Nachhinein unendlich leid. Jeder Tag bietet Möglichkeiten zu lieben. So macht es Gott, der uns seine Liebe in Jesus Christus menschlich nahebringt. Das „Heute“, von dem Jesus spricht, ist nicht nur ein flüchtiger Moment, ein knapper Zeitraum von wenigen Minuten, den man absolut nicht verpassen darf; der Augenblick, von dem Jesus spricht, der geht so schnell nicht vorbei, er dauert ein Leben lang. Ein ganzes Leben lang haben wir Zeit, die Gelegenheiten, die sich bieten beim Schopf zu packen. Nutzen wir sie – am besten heute.

Stefan Notz

25. Sonntag im Jahreskreis

Ohne Zweifel handelt es sich um einen zwielichtigen Verwalter im Evangelium (Lk 16,1-13). Sympathisch finde ich seine Selbstbeschreibung: „Zu schwerer Arbeit tauge ich nicht und zu betteln schäme ich mich.“ Das könnte ich auch von mir selbst sagen. Ich will natürlich meine Angelegenheiten korrekt ausführen und keine krummen Sachen machen. Der unehrliche Verwalter erleichtert den Menschen das Leben unter einer strengen Herrschaft. „Was steht auf deinem Schuldschein? 100? Vergiss es, setz dich hin und schreib 50!“ Der Verwalter im Evangelium streicht Schulden, die er gar nicht nachlassen durfte. Und was macht Jesus? Er tadelt den Verwalter nicht. Im Gegenteil, er lobt ihn sogar. Ich beziehe die Worte des Evangeliums auf die Kirche. Sie war lange wie der strenge Herr bei Lukas, der einen Verwalter einsetzt. Die kirchlichen Verwalter waren oft streng, nicht immer gütig. Sie meinten es dem Herrn recht machen. Diese Pastoral hat viele Generationen im ihrem Gottes- und Kirchenbild geprägt. Jesus lobt den unehrlichen Verwalter. Er lobt nicht die Unwahrhaftigkeit oder die Betrugsabsichten. Er lobt die Klugheit des unehrlichen Verwalters. Menschen das Leben zu erleichtern, das kommt in den Augen Jesu ganz gut an. Wo würde Jesus heute loben? Was würde er an meinem Tun gut finden oder am Handeln der Kirche heute? Eine provozierende Frage ist das, finde ich. Ich wünsche uns allen eine gute Woche.

Stefan Notz

24. Sonntag im Jahreskreis

Am 14. September begehen Christen rund um den Globus das Fest „Kreuzerhöhung“. Jesus stirbt am Kreuz. Das Johannesevangelium deutet das Kreuzesgeschehen als „Erhöhung“. Aus dem Himmel war der „Menschensohn“ Jesus einst herabgestiegen. Weil er herabgestiegen ist und am Kreuz erhöht wurde, gibt es für die Menschen die Neugeburt, die Gemeinschaft mit Gott. Die „Wiedergeburt“ ist nicht das Ergebnis menschlicher Anstrengung, sondern eine Gabe des Geistes Gottes, ein Geheimnis des Glaubens. Im alttestamentlichen Buch Numeri wird die Erhöhung mit dem Bild der Schlange erklärt. Die an einer Stange befestige Schlange war für die Israeliten in der Wüste ein Zeichen der Rettung gewesen. Gerettet hat natürlich nicht die Schlange, sondern die Barmherzigkeit Gottes.  Christus ist am Kreuz erhöht, damit „jeder, der glaubt, in ihm ewiges Leben hat.“ (Joh 3,15) Das Kreuz Jesu Christi ist ein prägendes Symbol für das Christentum. Für die Entwicklung Europas hat es eine zentrale Rolle gespielt.  Das Kreuz vermittelt die Botschaft: Das Wichtigste im Leben ist die Liebe zum Nächsten – wenn es sein muss, bis zum eigenen Tod. Diese Grundbotschaft hören die Europäer seit 2000 Jahren. Der Kontinent wurde davon geprägt. Das Kreuz bleibt auch heute ein Aufruf. Wenn die Europäer aber bald nicht mehr wissen, wie der Mann am Kreuz heißt, dann verliert Europa seine Identität. Europa ist dabei. Das ist, denke ich,  die zentrale kulturelle und gesellschaftliche Herausforderung heute.

Stefan Notz

23. Sonntag im Jahreskreis

Die Ausstellung des LVR „1700 Jahre Jüdisches Leben in Deutschland“ ist Freitag eröffnet worden und für drei Monate u.a. im Dom und im Stiftsmuseum zu sehen. Verschiedene Aspekte einer bewegten Geschichte von Menschen und Orten werden beleuchtet. Unsere „älteren Geschwister im Glauben“ hat Papst Johannes Paul II. die Juden genannt. Das hat mich damals als Student der Theologie sehr bewegt. Dabei war das Verhältnis zur Religion Jesu immer wieder von Anfeindung und Ausgrenzung geprägt. Im Dom zeugt eine antijudaistische Darstellung im Hochchor aus dem 13. Jahrhundert davon. Es gibt auch positive Beispiele in der Haltung zum Judentum. In der Domkrypta wird an Wilhelm Frede erinnert (ermordet 1942 im KZ Sachsenhausen). Er war ein deutscher Diplomat in Diensten des niederländischen Konsulats. Als bekennender Katholik scheute er sich trotz der Beobachtung durch die Gestapo nicht jüdische Mitbürger zu grüßen und mit ihnen zu sprechen, so dass er als „politisch unzuverlässig“, als „fanatischer Katholik“ und als „Judenfreund“ galt. Im Marienaltar des Domes ist die Wurzel Jesse dargestellt. Dort haben die Propheten Israels im Stammbaum Jesu Ihren Platz. Der Apostel Paulus erinnert im Romerbrief daran. Er nennt das Judentum die Wurzel und die Christen die Zweige. Er sagt: „Du sollst wissen: Nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich.“ (Römer 11,18). Ich wünsche der Ausstellung im Dom und im Stiftsmuseum viele Besucherinnen und Besucher.

Stefan Notz

22. Sonntag im Jahreskreis

Jesus erzählt seine Gleichnisse im Blick auf das Reich Gottes. Bei einem Festessen schielen manche auf die Ehrenplätze bei Tisch. Jesus beobachtet das Geschehen und gibt einen Hinweis: „Wenn du eingeladen bist, nimm den untersten Platz ein, damit der Gastgeber zu dir kommt und sagt: Mein Freund, rück weiter hinauf!“ Es geht Jesus, wie gesagt, um das Reich Gottes. Im Reich Gottes, also da, wo die Welt wieder so ist, wie Gott sie von Anfang an gewollt und gedacht hat, da muss niemand aus sich etwas „machen“. Niemand muss sich in Szene setzen. Weil Gott schon sein „ja“ gesprochen hat, hat jede und jeder Ansehen bei ihm. Keine Sitzordnung und kein Titel bedeutet dann etwas. Ich finde, dass das Evangelium gerade auch diejenigen meint, die in der Kirche die besonderen Plätze einnehmen. Klaus Müller, vormals Professor für Theologie an der Universität Münster sagt es in einer Predigt so: Christliche Bescheidenheit wie Jesus sie vorlebt, sieht sich konfrontiert „mit einer Lüsternheit auf die Titel der Monsignori, der Prälaten, der Kanoniker, Kapitulare und Protonotare – und was sonst noch an Symbolen der Unerlöstheit in unserer Kirche herumkreuchen mag. Ich vertraue darauf, das die geduldige Demut Jesu auch diese Widernisse besiegen wird und wir (…) in einer Kirche leben, die dem Evangelium mit weniger Verrenkungen zu entsprechen weiß als die heutige.“ (in: K. Müller, Gottes ABC, Aschendorff, S. 271) Einen guten Sonntag wünscht Ihnen

Stefan Notz

21. Sonntag im Jahreskreis

Jesus sagt von sich: „ich bin die Tür“ (Joh 10,9). Beim Evangelisten Lukas begegnet an diesem Sonntag das Bild von der „engen Tür“. Wer sich auf Jesus einlässt ist mit allen Kräften gefordert. Herz und Verstand sind ebenso gefordert wie Entschiedenheit. Wenn nämlich einmal die Tür verschlossen wird, dann soll der Herr nicht sagen müssen: „Ich kenne euch nicht.“ (Lk 13,25). In der zurückliegenden Woche wurde an den Priester Gerhard Storm gedacht. Er war Kaplan in Wesel und in Emmerich. Wegen seiner regimekritischen Predigten wurde er am 15. Mai 1942 auf Geheiß der Gestapo festgenommen. Am 23- Juli wurde er ins KZ Dachau verbracht, wo er am 20. August an den Folgen der Haft verstarb. Seine Asche wurde zunächst auf dem Friedhof in Haldern beigesetzt, bis sie am 3. September 1966 in die Krypta des Xantener Doms, der Gedenkstätte für die regionalen Glaubenszeugen in der Zeit der Nationalsozialismus, übergeführt wurde. Auch in der St. Aldegundiskirche in Emmerich erinnert eine Tafel an den ehemaligen Kaplan. Dort ist geschrieben: „Wegen seiner mutigen priesterlichen Pflichterfüllung in der NS Zeit starb er im KZ-Dachau.“ Ich bin sicher, dass Gerhard Storm die „enge Tür“ durchschritten hat und sein Leben gerettet ist. Jesus Christus ist der Zugang, die Tür zum Leben. Wir wollen  auf ihn zugehen mit ganzer Seele und all unseren Möglichkeiten. Eine gute neue Woche wünsche ich Ihnen.

Stefan Notz

14. Sonntag im Jahreskreis

Jesus befindet sich am Beginn seines Wegs nach Jerusalem. Er lässt seine Jünger vorangehen und sein Kommen vorbereiten. Zweiundsiebzig Menschen sendet Jesus aus. Diese Zahl symbolisiert im biblischen Verständnis  die Weltvölker in ihrer Gesamtheit. Jesus sendet sie aus. Sie haben eine Mission. Sie gehen „im Namen Jesu“ Die Jünger Jesus sollen ohne Vorräte gehen aber auch ohne falsche Vorstellungen. Denn sie bieten Frieden an, doch nur bei Mitmenschen, die selbst friedliebend sind, bleibt der Friede. Frieden kann nur da erreicht werden, wo Menschen dazu fähig und bereit sind. Für mich steckt im Evangelium ein sehr zentraler Impuls:  Pastorale Arbeit soll sich nicht stützen auf den Reichtum der Mittel, sondern auf die Kreativität der Liebe. Sicher sind auch Zähigkeit, Mühe, Arbeit, Planung, Organisation nützlich, allem voran aber muss man wissen, dass die Kraft der Kirche nicht in ihr selbst liegt, sondern sich im Geheimnis Gottes verbirgt. Bei unseren Aufbrüchen – Jesus sendet uns schließlich heute - soll das Gepäck nicht zu schwer sein. Ist der Rucksack voll mit Bürokratie, mit Rechthaberei, mit Sicherheitsdenken oder auch mit materiellen Ansprüchen, würde sich sehr bald Müdigkeit und Erschöpfung einschleichen. Ist das nicht schon unsere Situation?  Kein Vorrat, keine falschen Vorstellungen vom Reich Gottes! Ohne die Einfachheit, die Jesus von seinen Jüngern fordert, beraubt sich die Kirche der Möglichkeit Gott in der Tiefe seines Geheimnisses zu berühren. Ich wünsche einen schönen Sommer.

Stefan Notz

(Während der Schulferien erscheint kein geistliches Wort vom Propst. Mit Beginn des neuen Schuljahres wird die Reihe fortgesetzt.)

13. Sonntag im Jahreskreis

Der 29. Juni ist der Gedenktag „ Peter und Paul“. Wir gedenken der beiden Apostel Petrus und Paulus. Jesus gab dem Simon den Namen „Fels“ (Kephas), also  Petrus. Er wird in allen  Apostellisten als Erster genannt. Paulus wurde nach seiner Bekehrung zum Apostel der Völker. Beide Apostel, Petrus und Paulus,  erlitten in Rom das Martyrium. Die Gräber der Apostel werden dort verehrt. Der Heilige Augustinus (gestorben 430) sagt in einer Predigt zum Fest Peter und Paul: „Wie ihr wisst, hat der Herr Jesus vor seinem. Leiden die Jünger ausgewählt, die er Apostel nannte. Fast bei allen Gelegenheiten durfte allein Petrus die Kirche vertreten. Weil er allein die ganze Kirche darstellte, durfte er die Worte hören: "Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben.” Denn diesen Schlüssel erhält nicht ein einzelner Mensch (Petrus), sondern die eine Kirche. Darum wird der hohe Vorzug des Petrus gepriesen, weil er eben die Gesamtheit und Einheit der Kirche in seiner Person darstellte, als ihm gesagt wurde: "Dir werde ich übergeben”, was allen gemeinsam anvertraut wurde. Um zu verstehen, dass die Kirche die Schlüssel des Himmelreichs erhalten hat, hört, was der Herr an anderer Stelle zu allen sagt: Empfangt den Heiligen Geist. Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben.“

Ein schönes Hochfest Peter und Paul wünscht Ihnen allen Stefan Notz

12. Sonntag im Jahreskreis

Wer ist Jesus? Im Evangelium dieses Sonntags (Lk9, 18-24) gibt Petrus die richtige Antwort: Du bist der Christus, der Messias. Verstehen aber muss er erst noch nach und nach, was das wirklich beinhaltet. Die richtige Antwort des Petrus kenne auch ich schon seit Kindertagen. Das Verstehen kommt aber nie ans Ende. Lukas beginnt seine Darstellung mit einem gewollten Paradox: „Jesus betete für sich allein und seine Jünger waren bei ihm.“ Die Jünger – und auch wir – sind in das Alleinsein Jesu hineingenommen. Wir dürfen Jesus als den sehen, der mit Gott Auge in Auge spricht, von Du zu Du redet. Die Jünger können Jesus an dem Punkt erleben, von dem  alle seine Worte, seine Taten und seine Vollmacht ausgehen. Sie gewinnen aus diesem Erleben eine Erkenntnis, die über das bloße Meinen der Leute hinausgeht, die Jesus zum Beispiel für einen Propheten halten, der wiedergekommen sei. Wer ist Jesus für mich? Huub Oosterhuis notiert in einem seiner Texte 29 Namen für Jesus:

„Nächster. Fremder. Jude. Same. Baum an der Quelle. Bräutigam. Weg. Traummensch. Offene Tür. Eckstein. Schlüssel. Löwe. Judas. Lamm. Gerechter. Hirte. Perle. Zweig. Fisch. Brot. Wort. Weinrebe. Sohn Gottes. Knecht. Ströme lebendigen Wassers. Morgenstern. Bahnbrecher. Einziger. Unsagbar Gesagter.“  Wer ist Jesus für mich? Welchen Namen gebe ich ihm?

Einen guten Sonntag wünscht Stefan Notz

Dreifaltigkeitssonntag

'Du kannst dir kein Bild davon machen'. »Du sollst dir kein Bildnis machen von Gott, deinem Herrn, und nicht von den Menschen, die seine Geschöpfe sind« So formuliert es der Schriftsteller Max Frisch. Und doch - wir Menschen sind sinnliche Wesen. Wir sind auf Bilder angewiesen, um zu Einsichten zu kommen. Wir greifen zu Symbolen, um den Heiligen Geist und sein Wirken darzustellen: Wasser, Feuerzungen, Sturm, Atem. Aber damit haben wir ihn nicht im Griff. Wir haben das Geheimnis Gottes nicht in der Hand, als wäre er ein Prachtexemplar des kirchlichen Inventars, über das wir verfügen und das wir nach Bedarf unters Volk bringen. Die Heiligste Dreifaltigkeit ehren wir am Sonntag nach Pfingsten.  Wir ehren den einen Gott, der in die konkrete Geschichte eingegangen ist. Gott schreibt Geschichte in Jesus Christus. Ulrich Lüke (Münster) schreibt: „Der unendliche Gott wird endlich, er endet, ja verendet am Kreuz. Der ewige Gott wird zeitlich, der Herr aller Zeit wird ein Kind seiner Zeit, ein Mensch unserer Zeit. Der allmächtige Gott wird machtlos als Wickelkind, er wird ohnmächtig als Kreuzträger. Der unbegreifliche Gott wird greifbar, aufgreifbar und angreifbar im Menschen Jesus Christus. Der unendliche Gott erschließt im Auferstandenen unserem endlichen Todeshorizont die grenzenlose Unendlichkeit seines Lebens.“ Ich wünsche allen einen gesegneten Sonntag.

Stefan Notz

Pfingstsonntag

Pfingsten ist ein Ereignis. Der Heilige Geist kommt auf die Jünger herab. Sie finden neuen Mut. Sie werden motiviert das Evangelium zu leben. An Pfingsten überwinden sie den toten Punkt, den sie nach dem Tod Jesu erreicht hatten. Der Heilige Geist ist Motivator und Beistand. „Ohne sein lebendig Wehen, kann im Menschen nichts bestehen…“, singt die Kirche in einem alten Pfingsthymnus. In Feuerzungen kommt der Heilige Geist auf alle herab. In diesem starken Bild erzählt die Apostelgeschichte das Pfingstereignis (Apg 2, 1-11).  Der Heilige Geist ist es, der uns in der lebendigen Verbindung hält mit dem verborgenen Gott und mit seinem menschgewordenen Sohn Jesus Christus. Es ist der Heilige Geist, der die Kirche aufbaut. Der Heilige Geist ist es, der uns trotz aller Irrtümer zum Erkennen und Tun des Richtigen ermutigt und befähigt. Der Geist ist es, der uns trotz Versagen und Schuld zum Erkennen und Tun des Guten ermutigt und befähigt. Der Geist führt uns in die Wahrheit, die Gott schenkt. In Jesus Christus ist diese Wahrheit ansichtig und erfahrbar geworden. Die Kirche ist heute  in einer Krise. Der Münchner Kardinal Reinhard Marx sprach vor Jahren ebenfalls  vom „toten Punkt“, an dem die Kirche angelangt sei. Daher ist Pfingsten so wichtig. Wir brauchen das Kommen des Heiligen Geistes, des Lebendigmachers. Wir brauchen den göttlichen Geistesblitz, die Ermutigung. Dann kann der Glaube atmen und praktisch werden. Dann kann er öffentlich wirksam sein. Das Pfingstereignis erzählt von Menschen, die sich vorher fremd waren und keine gemeinsame Sprache finden konnten. Durch die Geistsendung verstehen Fremde einander. Mit dieser Erfahrung entsteht Kirche, eine Gemeinschaft über alle Grenzen hinweg. Ich wünsche uns die Erfahrung von Pfingsten, also den Motivationsschub, der uns die Freude am Christsein schenkt. Komm, heiliger Geist!

Ich wünsche Ihnen und Euch allen ein frohes Pfingstfest

Stefan Notz

7. Sonntag der Osterzeit

Manchen Zeitgenossinnen und Zeitgenossen erscheint die Kirche, insbesondere die römisch-katholische Kirche, als antiquierte Institution. Sie wirke, so höre ich es häufig, verknöchert und unbeweglich. Ja, so etwas wie ein geistliches Burn-Out ist in Deutschland wohl festzustellen. Was für eine Aufbruchstimmung im Gegensatz dazu am ersten Pfingsttag, dem Geburtstag der Kirche! Der Heilige Geist kommt auf die Apostel herab und verwandelt ängstliche Gestalten in furchtlose und überzeugende Verkünder des Evangeliums von Jesus Christus. Vom Heiligen Geist ist auch in den Schriftlesungen des Sonntags die Rede. Stephanus, erfüllt vom Geist, sieht den Himmel offen. Durch Christus, durch seinen Kreuzestod und seine Auferstehung, steht nichts mehr zwischen Gott und Mensch. Die Apostelgeschichte erzählt von der Steinigung des Stephanus. Der Heilige Geist hat ihn zum kraftvollen Zeugen für Christus und sein Evangelium gemacht. Für sein Glaubenszeugnis wird er gesteinigt. In diesen Tagen beten wir um das Kommen des Geistes, damit wir heute Mut gewinnen unser Christsein zu leben. Gewiss, die Kirche hat ein hohes Alter. Sie ist aber nicht veraltet. Statt Feuer und Flamme für Jesus zu sein, leuchten wir vielleicht zu oft „auf kleiner Flamme“. Ich wünsche, dass wir bei allen Vorbehalten gegen die Kirche, der Dynamik des Geistes Vertrauen schenken können. Das Pfingstwunder kann sich auch heute ereignen. Menschen, die sich fremd gegenüberstehen, beginnen einander zu verstehen und finden eine gemeinsame Sprache. Aus der Erfahrung, dass in der Kraft des Heiligen Geistes Trennungen überwunden werden können, entsteht immer neu die Kirche Christi -eine Gemeinschaft über alle Grenzen hinweg. Eben das ist der Wunsch Jesu, wie das Johannesevangelium ihn vermittelt: „Ich habe ihnen deinen Namen kundgetan und werde ihn kundtun, damit die Liebe, mit der du mich geliebt hast, in ihnen ist und ich in ihnen bin.“ (Joh 17,26)

Stefan Notz

6. Sonntag der Osterzeit

Ich habe den Begriff „Beistand“ gegoogelt. Die Suchmaschine erklärt, dass der Begriff Beistand aus dem Bereich des Rechts stammt. Ein Beistand darf in Verwaltungs- und Gerichtsverfahren neben den Beteiligten oder Parteien auftreten. Beistände unterstützen und helfen vor Gericht. Jesus kündet seinen Jüngern und seiner Kirche einen Beistand an. Gott, sein Vater, wird den Beistand senden. Er wird unterstützen und helfen, lehren und erinnern. Das Erinnern, vom dem im Evangelium des Johannes die Rede ist, bedeutet mehr als ein Nicht-Vergessen oder etwas ins Gedächtnis zu rufen. Es bedeutet, dass die Heilige Geistkraft Gottes unseren Glauben und unsere innere Haltung stärkt. In der Kraft des Heiligen Geistes ist Jesus auf andere Weise für uns da. Die Kirche ist deshalb etwas anderes als ein Verein. Gewiss braucht die Kirche, wie andere Vereinigungen auch, eine Struktur und eine Rechtsordnung, doch in erster Linie wirkt in ihr Gottes Geist. Der Heilige Geist öffnet dem Glauben und der Kirche Zukunft. Zur Zeit machen wir uns viele Gedanken um die Zukunft der Kirche. Wir diskutieren, dürfen aber das Beten nicht vergessen. Wir beten und bitten um die Gaben und Möglichkeiten des Geistes Gottes. Im Heiligen Geist werden Menschen, die sich als Konkurrenten und gegnerische Parteien verstehen, zu Schwestern und Brüdern. Jesus steht uns bei: „Meinen Frieden gebe ich euch.“ (Joh 14,27) Damit ist mehr gemeint, als das die Waffen schweigen. Es ist ein Friede, in dem Menschen sich endlich als Schwestern und Brüder erkennen und als Töchter und Sohne des Vaters im Himmel. Diesen Frieden können Menschen allein nicht hervorbringen und noch weniger garantieren. Es bedarf des Beistandes von Gott, seiner Geistkraft, die uns erinnert, „damit ihr, wenn es geschieht, zum Glauben kommt.“ (V. 29)

Stefan Notz

5. Sonntag der Osterzeit

Im Johannesevangelium ist das Wort „Liebe“ zentral: „Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jüngerinnen und Jünger seid – wenn ihr einander liebt.“ (Joh 13, 35) Aber was ist Liebe? In einem gemeinsamen Nachdenken zur Frage: Was fällt mir zur Liebe ein? wurden folgende Antworten gegeben: Zuneigung; Antwort auf Geliebtwerden; selbstlos werden, Zeit haben, zuhören, anschauen; dem anderen entgegengehen; Geborgenheit, Zärtlichkeit; sehen, was der andere braucht; Glücksgefühl, umarmen, küssen; Barmherzigkeit, Herzlichkeit; beisammen sein, Gemeinschaft; sich öffnen; Kraft, Freude, Leid; Hingabe; geben und nehmen, ohne zu rechnen; Verantwortung für den Nächsten übernehmen; vertraut sein; Eros, Agape, Caritas. Zur Frage nach der Liebe kommt enorm viel in den Sinn. Was ist Jesus dazu eingefallen? Er stellt sich selbst als Vorbild hin: "Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben". Das Evangelium verstehe ich als Einladung wie Jesus und mit Jesus zu lieben. Seine Liebe ist nicht sentimental. Kardinal Walter Kasper sagt es mit diesen Worten: „Liebe ist das Spezifikum des christlichen Lebens. Ihr Maß geht über jedes normalmenschliche Maß hinaus und bemisst sich an der Liebe, die Jesus selbst uns durch seine Lebenshingabe erwiesen hat. „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben hingibt für seine Freunde.“(Joh 5,12 f.) Aus der liebenden Hingabe Gottes in Jesus Christus darf ich leben.

Stefan Notz

4. Sonntag der Osterzeit

Das uralte orientalische Bild vom Hirten und seiner Herde strahlt Ruhe aus. Im Johannesevangelium spricht der Hirte Jesus: „Ich kenne meine Schafe. Sie folgen mir. Ich gebe ihnen ewiges Leben.“ Nicht nur im Orient, sondern auch am Niederrhein kann man Schafherden beobachten. Immer geht es eher langsam voran, denn der Hirt achtet darauf, dass keines der Tiere zurückbleibt. Im Bild des Hirten und der Herde sagt das Evangelium etwas über Jesus und die Christinnen und Christen. Wer zu Jesus gehört, kennt seine Stimme. Was Jesus sagt, sein Ton und seine Worte sind ihnen vertraut. Wie die Herde sicher vom Hirten zum guten Weideplatz geführt wird, so trägt Gott Sorge um jeden einzelnen von uns. Ich darf mich ihm anvertrauen und muss mich nicht ängstigen. Jesus sagt: Ich gebe ihnen ewiges Leben. Das bedeutet: Diesem Hirten zu folgen, bringt auf einen Weg, der das, was wir tun und lassen gültig macht vor Gott. Vor Gott gültig sein heißt: endgültig sein, also ins Ewige gehören. An der Seite des Guten Hirten Jesus möchte  ich meinen Weg gehen. Die Worte des Evangeliums und die Gebetsworte aus dem Alten Testament (Psalm 23) machen mir Mut und geben wir Kraft für den Tag: Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts fehlen. Er deckt mir den Tisch. Er füllt mir reichlich den Becher. Im Hause Gottes darf ich leben alle Zeit.

Einen guten Sonntag wünscht Stefan Notz

3. Sonntag der Osterzeit

In dem wie  Jesus lebte, sprach und handelte, zeigt sich ein Gottvertrauen, das motivieren kann anders auf das eigene Leben zu schauen und vielleicht sogar anders zu leben.  Nach den Osterereignissen sind die Jünger Jesus wieder in Galiläa. Sie gehen ihrem Beruf nach. Sie fahren mit dem Boot auf den See hinaus, allerdings ohne Erfolg. Die Netze bleiben leer. Am Morgen steht Jesus am Ufer. Er fordert die Jünger auf das Fischernetz auf der rechten Seite des Bootes auszuwerfen. Sie tun, was Jesus sagt. Die Netze füllen sich so reich, dass sie Mühe haben den Fang einzuholen. An dem, was das Wort Jesu bewirkt, erkennt Johannes: Es ist der Herr! Als sie an Land kommen, ist für sie eine Mahlzeit zubereitet. Da ist ein Feuer und darauf Fisch und Brot. Obwohl die Jünger von Jesus gefragt werden, ob sie nicht etwas zu essen haben, brauchen sie das selbst Gefangene jetzt gar nicht. Es ist schon etwas da. Es ist schon alles gegeben. Sie brauchen ihr Eigenes nur noch dazu legen. Ich deute das Geschehen am See von Tiberias von der Hl. Messe her. Der Tisch ist schon gedeckt, das Mahl ist bereitet. Der Herr gibt sich selbst. Er ist die Speise zum ewigen Leben. Ich muss mich nur noch selber einbringen, mich sozusagen dazugeben.  Die Eucharistiefeier lässt mich teilnehmen an der Ostererfahrung am See von Tiberias: Kommt und esst! In der Feier der Hl. Messe steht die Einladung Jesu: Kostet und seht, wie gut der Herr ist.  Einen erholsamen Sonntag wünscht Ihnen Stefan Notz.

2. Sonntag der Osterzeit

Das hat mich innerlich berührt. Papst Franziskus hat uns alle am Ostersonntag gesegnet. Dann ist er hinübergegangen in das Haus des Vaters im Himmel. Als Beitrag zu diesem Sonntag zitiere ich in Erinnerung an den verstorbenen Papst einen Abschnitt aus einer Predigt, die er beim Weltjugendtag in Lissabon (August 2023) gehalten hat. Papst Franziskus spricht dort über die Verklärung Jesu: »Dieser ist mein geliebter Sohn, (…) auf ihn sollt ihr hören«. (vgl. Mt 17,5) Papst Franziskus: „Alles, was es im Leben zu tun gibt, ist in diesen Worten enthalten: Auf ihn sollt ihr hören. Auf Jesus hören, das ganze Geheimnis liegt darin. Höre, was Jesus zu dir sagt. „Ich weiß nicht, was er zu mir sagt“. Nimm das Evangelium und lies, was Jesus sagt und was er deinem Herzen sagt. Denn er hat für uns Worte ewigen Lebens. Er offenbart, dass Gott Vater ist, Liebe ist. Er lehrt uns den Weg der Liebe, hör auf Jesus. Denn manchmal gehen wir mit gutem Willen Wege, die solche der Liebe zu sein scheinen, aber am Ende sind sie Selbstsucht, die sich als Liebe maskiert. Hütet euch vor der Selbstsucht, die sich als Liebe maskiert. Hör auf ihn, denn er wird dir sagen, welches der Weg der Liebe ist. Hör auf Ihn.“

Einen guten Sonntag wünscht Stefan Notz

Palmsonntag

Jesus sammelt  eine Schar von Jüngerinnen und Jüngern um sich, die von seiner Botschaft berührt und begeistert sind, die ihren Alltag und ihre familiären Beziehungen hinter sich lassen und ihm folgen. Was er sagt, ist nicht immer angenehm, sondern radikal. Wie er seine Gottesbeziehung lebt, ist faszinierend und gibt Hoffnung. Und diese Hoffnung überträgt sich auf eine größere Menschenmenge. Sogar politische Erwartungen werden an Jesus geknüpft. Jesus wird gesehen als  der neue König, der mit der römischen Besatzung Schluss machen wird und die Freiheit zurückbringt. Jesus wird gefeiert, ob es ihm gefällt oder nicht. Hosianna! So rufen die Menschen Jesus zu als er nach Jerusalem kommt. Bald schon schlägt der Jubel um in das Gegenteil. Man fordert seinen Tod. Jesus geht seinen Weg konsequent für uns alle. Er, der König mit der Dornenkrone, trägt unser Leben, unser Geschick und unser Versagen hinauf nach Golgotha. Dort wird das Kreuz aufgerichtet. Christi gekreuzigte Liebe will uns anspornen das Aufrichten zu üben, das heißt wie Gott zu handeln. Einen Neubeginn, neues Leben zu ermöglichen, die Würde aller zu sehen. Das ist dann die Kar- und Osterwoche an jedem Tag des Jahres.

Propst Stefan Notz

5. Fastensonntag

Vor 10 Jahren rief Papst Franziskus ein „Jahr der Barmherzigkeit“ aus. Barmherzigkeit ist ein Grundwort des Evangeliums von Jesus Christus. Neben der Zustimmung zum Anliegen des Papstes, gab es damals auch Kritik, die u.a. von „Barmherzigkeitsduselei“ sprach. Diese sei ein Kennzeichen seines Pontifikates, meinten einige Kritiker, die dem Heiligen Vater eine Aus-dem-Bauch-heraus-Theologie unterstellten. Franziskus setze in Wort und Tat Recht und Ritual herab und untergrabe damit sein eigenes Amt. Ganz ähnlich begegnet es mir im Evangelium. Die  Pharisäer und Schriftgelehrten wollen Jesus in Schwierigkeiten bringen. Steht Jesus im Fall der Ehebrecherin zum Gesetz und damit zur Todesstrafe? Wenn ja, was ist dann mit seiner Menschlichkeit, die er sonst praktiziert? Jesus lässt sich auf kein Wortgefecht ein. Er bückt sich und schreibt in den Sand. Das tut er nicht, um sich vor einer Antwort zu drücken, sondern er setzt damit ein prophetisches Zeichen. Dieses Zeichen musste die Kenner der Heiligen Schriften treffen wie ein Blitz. Beim Propheten Jeremia (17,13) heißt es: „Alle, die dich verlassen, Herr, werden zuschanden, die sich von dir abwenden, werden in den Staub geschrieben.“ Am Ende bleiben die Frau und Jesus allein zurück. Jesus hat der Frau bedingungslos einen neuen Anfang geschenkt, weil er weiß, wie bedingungslos Gott selbst für den Menschen da ist. Jesus heißt die Tat der Frau nicht gut. Aber er befreit die Frau aus ihrer Verstrickung, gratis, aus Gnade, weil unser Gott ein Gott für uns ist. Für diese Botschaft hat Jesus wenig später mit dem Leben bezahlt. Aber Gott hat ihm Recht gegeben – wir sagen: er hat ihn auferweckt. Was für eine tolle Botschaft, denke ich.  Ich wünsche uns ein gutes Zugehen auf die österlichen Tage.

Propst Stefan Notz

4. Fastensonntag

Das Gleichnis (Lk 15) hat im Lauf der Zeit ganz verschiedene Titel bekommen: „Gleichnis vom barmherzigen Vater“, „Gleichnis vom verlorenen Sohn“ und „Gleichnis von den zwei Brüdern“. Jesus hat dieses Gleichnis erzählt als ihn die Pharisäer und Schriftgelehrten wegen seines Verhaltens den Sündern gegenüber kritisierten. Er hat die Sünder nicht ausgegrenzt, keinen Bogen um sie gemacht. Jesus verhält sich den Sündern gegenüber so, wie Gott es tut. Um das zu zeigen erzählt Jesus dieses Gleichnis. Als der „verlorene“ Sohn heimkehrt, sieht ihn der Vater von weitem kommen. Er läuft dem Sohn entgegen. Und noch bevor dieser überhaupt sein Schuldbekenntnis sprechen kann, fällt ihm der Vater um den Hals und küsst ihn –  ein Zeichen dafür, uneingeschränkt wieder oder besser immer noch als Sohn anerkannt zu sein. Der ältere Bruder neidet dem Jüngeren die Liebe des Vaters – obwohl sie ihm nicht entzogen wird und nie entzogen war. Der zuvorkommenden Liebe Gottes bedürfen alle, die Sünder und auch alle, die sich für anständig halten. Verlorengehen kann man nämlich als Sünder und als Anständiger. Nicht verloren gehen hat damit zu tun, wie sehr einer der Liebe Gottes traut.

Stefan Notz

3. Fastensonntag

Die Botschaft Jesu ist eine gute Nachricht. Gott ist wie der Gärtner bzw. der Winzer im Evangelium(Lk13, 1-9). Einerseits geht es um die Ernsthaftigkeit eines Lebens aus dem Geist der Heiligen Taufe. Es geht darum Früchte zu bringen, also nicht fruchtlos zu leben als Mensch und Christi. Im Sinn des  Evangeliums wächst Gutes  aus der Liebe zu Gott und den Mitmenschen. In der Fastenzeit ist damit  der Umkehrgedanke angesprochen. Andererseits zeigt der Umgang des Winzers mit dem Feigenbaum, der auch nach Jahren noch keine Frucht getragen hat, die Geduld und das Erbarmen Gottes. Sie kommt in der Bitte des Gärtners an den Grundbesitzer zum Ausdruck: „Herr, lass ihn dieses Jahr noch stehen; ich will den Boden umgraben und düngen…“. Der Feigenbaum wird nicht umgehauen, sondern bekommt eine Chance. Hoffnung kommt auf. Für mich zeigt sich im Gärtner bzw. im Winzer der Gott, den Jesus seinen Vater nennt. Gott bemüht sich um mich. Er gibt mir eine neue Chance. Er gibt die Hoffnung für mich nicht auf. Er will mich zum Blühen bringen und beim Früchtebringen helfen. Ich muss es nur zulassen und darf diese Hilfe von Gott annehmen.

Propst Stefan Notz

2. Fastensonntag

Jedes Jahr wird am zweiten Fastensonntag das Evangelium von der Verklärung Christi verkündet (Lk 9,28b-36). Jesus kündigt sein Leiden und Sterben an und spricht mit Moses und Elija über sein „Ende“, das sich in Jerusalem erfüllen soll. Der Ausdruck „Ende“ lässt offen, ob hier an den Kreuzestod Jesu zu denken ist oder an seine Vollendung in der Auferstehung. Die Verklärung geschieht, während Jesus betet. „Und während er betete, veränderte sich das Aussehen seines Gesichtes und sein Gewand wurde leuchtend weiß.“  Der Evangelist Lukas beschreibt Jesus immer wieder als Beter. Jesus sucht Momente der Einkehr und des Gebetes, um aus der tiefen Verbindung mit seinem himmlischen Vater die Kraft für seine Sendung zu schöpfen. Das Evangelium von der Verklärung Jesu  hat einen festen Platz in der österlichen Bußzeit. Ich lese es  als Einladung dem Gebet einen Platz im Alltag zu geben. Ohne Einkehr und Gebet droht jeder Einsatz in Nächstenliebe und Nachfolge Jesu zum Aktionismus zu werden. Geistliches Leben braucht Atemluft, um fruchtbar sein zu können. Das Gebet, das sich nicht zurückzieht aus der Welt und sich nicht absondert von ihren Widersprüchen, gibt Atemluft und führt ins Handeln. Die drei Hütten, die Petrus bauen möchte, würden ein Bleiben auf der Höhe des Tabor bedeuten. Jesu Sendung aber  führt in die Talebene der Widrigkeiten und der Widersprüchlichkeiten des Lebens in Kirche und Welt. Dieser Weg mit Jesus Christus ist also vorgezeichnet. Er führt durch das Dunkel der Niederungen und des Todes in diesem Leben. Ich bin sicher, dass er mit uns geht und an unserer Seite bleiben wird. Nur so bleibt die Freude des Glaubens in uns. Sie ist immer Vorfreude auf Ostern.

Stefan Notz

1. Fastensonntag

Nach seiner Taufe durch Johannes geht Jesus vierzig Tage in die Wüste. Man wird erinnert an das Volk Israel, das 40 Jahre unterwegs war durch die Wüste auf dem Weg in das gelobte Land. Für Israel wie für Jesus war es eine Zeit der Prüfung und der Versuchung. Worin besteht die Versuchung? Ich finde einen hilfreichen Gedanken dazu bei Papst Benedikt XVI. Er hat in seinem Jesus-Buch (Band1, Freiburg 2007) dazu geschrieben:  “Der Kern aller Versuchung - das wird hier sichtbar - ist das Beiseiteschieben Gottes, der neben allem vordringlich Erscheinenden unseres Lebens als zweitrangig, wenn nicht überflüssig und störend empfunden wird. Die Welt aus Eigenem, ohne Gott, in Ordnung zu bringen, auf das Eigene zu bauen, nur die politischen und materiellen Realitäten als Wirklichkeit anzuerkennen und Gott als Illusion beiseitezulassen, das ist die Versuchung, die uns in vielerlei Gestalten bedroht. Zum Wesen der Versuchung gehört ihre moralische Gebärde: Sie lädt uns gar nicht direkt zum Bösen ein, das wäre zu plump. Sie gibt vor, das Bessere zu zeigen: die Illusionen endlich beiseitezulassen und uns tatkräftig der Verbesserung der Welt zuzuwenden. Sie tritt zudem unter dem Anspruch des wahren Realismus auf: Das Reale ist das Vorkommende - Macht und Brot; die Dinge Gottes erscheinen demgegenüber als irreal, eine Sekundärwelt, derer es eigentlich nicht bedarf.”  Die Gedanken von Papst Benedikt geben mir Stoff zum Nachdenken und Beten.  Wovon lebe ich? Vor wem gehe ich in die Knie? Kann ich mich Gott überlassen? Ich wünsche uns allen eine vorösterliche Bußzeit, die uns erkennen lässt, von welchem “Brot” wir leben.

Stefan Notz

8. Sonntag im Jahreskreis

Einen guten Baum erkennt man an seinen Früchten. Das Bild vom guten Baum wählt Jesus im Sonntagsevangelium (Lk 6,44) für alle, die in seine Schule bzw. Jüngerschaft eintreten.  Wer in die Schule des Lehrers Jesus geht, wird sich sein Leben lang prüfen, ob er gute Früchte im Sinne Jesu bringt. Die alttestamentliche Lesung des Toragelehrten  Ben Sira (Sir 27,4-7) legt bei solcher Prüfung das Augenmerk auf die Menschenkenntnis. Drei Bilder sprechen davon.  Das erste ist das Bild eines Siebes. Um nach dem Dreschen und Worfeln des Getreides möglichst  Körner ohne Verunreinigung zu erhalten, bedarf es eines Siebes. Unrat, Stroh und Häcksel blieben darin hängen, während die Körner durchfallen. Das Sieb entspricht dem menschlichen Erwägen und Überlegen, durch das erst die Fehler eines Menschen sichtbar werden. Das zweite Bild ist der Brennofen. Die Hitze des Töpferofens bringt die Qualität eines Tongefäßes ans Licht. Durch Luftbläschen wird das Gefäß beim Brennen gesprengt und geht kaputt. Erst im Gespräch mit einem Menschen, so deute ich dieses Bild, erweist sich sein Charakter. Das dritte Bild der Schriftlesung ist der Baum. Wie der Baum einen guten Boden braucht um gute Frucht zu tragen, braucht der Mensch eine gute innere Haltung. Aus dem Herzen kommen die Gedanken und disponieren das Handeln. Die Bibel speichert menschliche Erfahrung und Weisheit. Das schenkt Orientierung auch in unserer heutigen Lebenswelt. Jesus selbst bringt es im Lukasevangelium auf den Punkt: „Der gute Mensch bringt aus dem guten Schatz seines Herzens das Gute hervor und der böse Mensch bringt aus dem bösen Herzen das Böse hervor. Denn wovon das Herz überfließt, davon spricht sein Mund.

Einen gesegneten Sonntag wünscht Propst Stefan Notz

7. Sonntag im Jahreskreis

„Euch, die ihr mir zuhört, sage ich das Geheimnis der Güte (vgl. Lk 6, 27). So beginnt Jesus die Rede an seine Jünger. Von welcher Güte spricht Jesus? Ich denke, es geht um das Gutsein Gottes, um seine Liebe und Barmherzigkeit. Gott rechnet und kalkuliert nicht. „Wenn ihr nur denen Gutes tut, die euch Gutes tun, welchen Lohn erwartet ihr dafür?“ Berechnung ist nicht die Sache Jesu und noch weniger sind es berechnende Menschen. „Euch, die ihr mir zuhört, sage ich es“, sagt Jesus und adressiert damit alle, die ein Ohr für ihn haben. Denn begreifen kann das Geheimnis einer nicht berechnenden Liebe nur, wer ganz Ohr ist für das, was Jesus in der Kraft Gottes zu sagen hat. Seine Botschaft lautet kurz gefasst: Gott ist barmherzig. Er ist Dir gut, auch wenn Du undankbar und böse warst. Er wendet sich nicht ab und zahlt nicht heim. Er verharmlost nicht. Am Ende wird er bereinigen, was nicht gestimmt hat zwischen Dir und ihm. Er steht zu Dir, weil er barmherzig ist. Das ist, wie ich finde, eine gute, eine frohe Botschaft. Ich glaube, dass wahr ist, was Jesus von Gott sagt. Weil Gott mit mir barmherzig ist, kann ich Barmherzigkeit und Güte zeigen, auch wenn es mir oft nicht wirklich gelingt. In der Liebe, die nicht rechnet, liegt eine Glaubenskraft, von der ich öfter Gebrauch machen sollte. Die neue Woche gibt dazu wieder viele Möglichkeiten.

Stefan Notz

6. Sonntag im Jahreskreis

Zu den bekannteren biblischen Texten gehört die Bergpredigt. So heißt diese berühmte Rede Jesu im Matthäusevangelium. Was bei Matthäus Bergpredigt heißt, wird bei Lukas  Feldrede genannt. Lukas platziert Jesus für seine Rede aber nicht oben auf den Berg. Es heißt: Er steigt vom Berg herab. Lukas wählt keinen herausragenden Platz für Jesus, sondern Jesus  steigt in die Niederungen herab zu denen, die arm, krank oder hungrig sind. „Selig, ihr Armen, denn euch gehört das Reich Gottes“. Der Evangelist erklärt Armut damit keineswegs zum Ideal. Das Lukasevangelium fordert von Anfang  bis Ende eine Sorge um die Armen, die das erklärte Ziel hat, Armut aufzuheben. Lukas war der Legende nach Arzt, also gebildet und begütert. Und auch die Leute, für die er sein Evangelium niedergeschrieben hat, waren in der Mehrzahl keine Armen mehr, sondern gut situierte Bürgerinnen und Bürger. Umso mehr bekommt das Loslassen Gewicht. Denn die Seligpreisung der Armen ist die christliche Fassung der Wahrheit vom Freisein durch Loslassen. Das Verhältnis zum Besitz ist für den Evangelisten Lukas ein Testfall des Glaubens.  Die Menschen, die viel haben, neigen dazu mehr haben zu wollen. Je reicher sie sich vorkommen, desto deutlicher steht ihnen vor Augen, was ihnen eigentlich noch alles fehlt. Die Frage ist daher: woran machst Du  Dein Glück fest? Jesus verstehe ich so: Selig bist Du, Mensch, wenn Du begreifst, dass Du arm bist, auch wenn Du etwas, ja sogar, wenn Du viel hast. Denn Besitz sagt nichts über das Leben, und schon gar nicht darüber, wie es glücken wird. Das, was Glück begründet, ist das Vertrauen, dass es gut werden wird mit Dir, weil Du über dein Leben nicht verfügen kannst – egal ob vermögend oder nicht. Glaube bedeutet mit Gott im rechten Verhältnis stehen, dass die Dinge ins Lot kommen und im Lot sind zwischen ihm und uns. Jesus nennt das Reich Gottes. Es gehört denen, die anerkennen, dass sie arm sind, auch wenn sie reich wären. Weil sie nichts haben müssen, sind sie frei. Und darum sind sie selig. Das Evangelium möchte, dass wir Grund haben, das auch von uns zu sagen.

Stefan Notz

5. Sonntag im Jahreskreis

Der reiche Fischfang (Lk 5,1-11) ist eine Geschichte vom Segen der Gemeinschaft mit Jesus. Mit leeren Netzen kehren die Fischer am frühen Morgen zurück ans Ufer des Sees. Die berufserfahrenen Fischer, Simon und die anderen Jünger Jesu, werfen ihre Netze auf Jesu Wort hin noch einmal aus. Sie lassen ihre berufliche Erfahrung, aber auch ihren Frust über die vergebliche Arbeit und Mühe der Nacht einfach hinter sich. Sie lassen sich auf Jesus ein. Ein Wagnis ist das. Bildlich gesprochen vertraut Simon Petrus jetzt einem neuen Netz, dem Beziehungsnetz zu Jesus. Das erweist sich als tragfähiger und ertragreicher als sein bisheriges Fanggerät, das Fischernetz. Petrus lässt das Alte los und ergreift Jesu Wort. Das bringt Dynamik in sein Leben: „Auf dein Wort hin werde ich die Netze auswerfen.“ Ein anderes Netz trägt Petrus, das Netz zwischenmenschlicher Beziehungen. Jesus hat Petrus das Seil zugeworfen. Der hat es aufgefangen. Erschrocken über den großen und unerwarteten Erfolg, wirft Petrus sich nieder vor Jesus: „Geh` weg von mir, denn ich bin ein sündiger Mensch, Herr!“ Weil Petrus Jesu Wort traute und weil er sich als Sünder bekannte, darf er unmittelbar aus Jesu Mund hören: „Fürchte dich nicht!“. Das ist eine Vergebungszusage. Der österliche Jesus wird später mit genau diesen Worten die Jüngerinnen und Jünger ansprechen, die sich voller Angst verbarrikadiert haben, und sie zu einem missionarischen Osterglauben befreien. Das Evangelium, so denke ich, leistet an diesem Sonntag eine Art Erinnerungsarbeit, das Beziehungsnetz Jesu wieder zu entdecken und wie Petrus auf Jesu Wort hin das Wagnis des Glaubens einzugehen.

Stefan Notz, Propst

Darstellung des Herrn

Der Bischof und Märtyrer Blasius von Sebaste (Märtyrer um 316) wird zu den sogenannten Nothelfern gezählt. Blasius wurde ins Gefängnis gesperrt auf Grund seines Glaubens an Jesus Christus. In der Haft, so wird erzählt, habe er ein halskrankes Kind gesegnet und gerettet. Der Blasiussegen erinnert daran und bittet um Gesundheit an Leib und Seele. Der Gedenktag des Heiligen Blasius (3.2.)  liegt benachbart zum 2. Februar, dem Fest Mariä Lichtmess. Zu Lichtmess werden Kerzen gesegnet, auch die Kerzen mit denen der Blasiussegen gespendet wird. Ich denke, dass die Kerzen und der Blasiussegen etwas Wesentliches für unser Leben aussagen können. Mit Jesus Christus kam das Licht in die Welt (Weihnachten). Das Licht von Weihnachten entlässt mich  in den Alltag mit der Aufgabe alle Lebensbereiche von diesem Licht erhellen zu lassen, meine Arbeit, das Leben in der Familie, das Miteinander im Gottesdienst und unser politisches Engagement für Gerechtigkeit und Frieden, für die Schöpfung und sehr dringend für Demokratie und Menschenrechte. Das Fest Mariä Lichtmess und der Blasiussegen sollen  auch heute die Welt in uns und um uns  herum mit dem Licht der Liebe erfüllen, damit alle Menschen das Heil sehen, dass die tiefste Sehnsucht erfüllt. Das Bistum Münster hat im Blick auf die gesellschaftlichen Entwicklungen in Europa und auch in Deutschland eine Demokratie- Kampagne gestartet mit einem wunderbaren Motto: Lebe Freiheit. Ich wünsche allen eine lebendige und lichterfüllte Woche.

Stefan Notz

3. Sonntag im Jahreskreis

In jeder Eucharistiefeier und jeder Wort-Gottes-Feier wird uns „der Tisch des Gotteswortes bereitet“. Christus selbst spricht zu uns im Wort der Heiligen Schrift. Papst Franziskus hat den dritten Sonntag des Jahreskreises zum Sonntag des Wortes Gottes erklärt. Es ist ein besonderer Tag des Dankes für die  „Schatzkammer der Bibel“, die allen Christinnen und Christen geschenkt ist und die Kirchen aller Konfessionen miteinander verbindet. An diesem Sonntag erzählen die Lesungen von der Vorlesepraxis in biblischen Zeiten. Im alttestamentlichen Buch Nehemia wird der Priester Esra vorgestellt, der dem Volk aus der Tora vorliest: „Das ganze Volk lauschte auf das Buch der Weisung. (…) Man las aus Abschnitten vor und gab dazu Erklärungen, so dass die Leute das Vorgelesene verstehen konnten.“ (Neh 8, 3.6)  Von Jesus erzählt der Evangelist Lukas, dass er in der heimatlichen Synagoge in Nazareth die Buchrolle nimmt, um vorzulesen. Jesus endet seine Lesung aus dem Propheten Jesaja mit den Worten: „Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt.“ (Lk 4, 17.21) Lukas sowie Esra und Nehemia deuten im Licht ihres Glaubens die Erfahrungen ihrer Zeit und fragen, wie sich die Geschichte Gottes mit den Menschen darin fortsetzt. Sie sind eng miteinander verbunden in der Suche danach, wie die Schrift heute gelesen werden und wie sie sich heute erfüllen kann. Ich wünsche uns segensreiche Erfahrungen im Lesen, Hören und Bedenken des Wortes Gottes in  der Schatzkammer der Bibel.

Stefan Notz

2. Sonntag im Jahreskreis

Die Geschichte von der Hochzeit in Kana  (Joh 2,1-11) ist mir schon als Kind begegnet  in Gestalt der Texte und anschaulichen Bilder des niederländischen Kinderbuch-Autors Kees de Kort. Die Hochzeit, auf der Jesus und seine Mutter Maria zu Gast sind, ist eine Erzählung über das erste Wunder Jesu. Die Geschichte zeigt, dass Jesus auch die Freuden des menschlichen Lebens teilt, man kann sie aber auch anders lesen, nämlich als eine Art Gleichnis, als eine Geschichte, die nicht so sehr erzählt, was einmal war, sondern was einmal sein wird. Jesus wandelt Wasser zu Wein. Der Speisemeister weiß nicht, woher der Wein kommt (vgl. Vers 9). Damit spricht dieser Mann eine tiefe Wahrheit aus, denn für uns Menschen ist Gottes Handeln nicht zu verstehen. Wie kann aus Wasser Wein werden? Wie kann Gott Mensch werden? Das bleibt uns ein Geheimnis. In der Kinderbibel von Kees de Kort heißt es am Ende der Geschichte: „Alle sind fröhlich. Jesus freut sich mit. Die Jünger sehen: Wenn Jesus kommt, wird das Leben zum Fest. Gott selbst lädt die Menschen an seinen Tisch. Alle Tränen sollen getrocknet werden. Gott hat die Menschen lieb“. Für mich ist das die Frohe Botschaft des  Sonntags: Mit Jesu Kommen ist die Heilszeit angebrochen, und zwar so, dass wir das spüren können. In seinem Handeln, konkret in der Verwandlung von Wasser zu Wein, zeigt uns Jesus einen Schimmer der Schönheit, die kommen wird. Wenn wir diesem Jesus nachfolgen, führt das in ein erfülltes, freudvolles Leben. Wir geben unser Wasser des Alltäglichen. Er kann es verwandeln in kostbaren Wein. So wie im Lied im Gotteslob Nr. 748: „Du bist das Brot, das den Hunger stillt, du bist der Wein, der die Krüge füllt. Du bist das Leben.“

Stefan Notz

Taufe des Herrn

Das Fest der Taufe des Herrn beschließt in der katholischen Liturgie den Weihnachtsfestkreis. „Während Jesus betete, öffnete sich der Himmel, und der Heilige Geist kam sichtbar in Gestalt einer Taube auf ihn herab, und eine Stimme aus dem Himmel sprach: Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden.“ Das Gefallen Gottes bezieht sich sicher nicht auf das Aussehen dieses Jesus, nicht auf sein Äußeres, sondern auf das Innere seiner Person. Gott findet Gefallen an dem, was Jesus tut und wie er ist. Bei unserer eigenen Taufe wurde es uns persönlich zugesprochen: Du bist ein geliebtes Kind Gottes, seine geliebte Tochter, sein geliebter Sohn. Das Gefallen Gottes ist uns geschenkt, auch wenn wir als getaufte Christinnen und Christen nicht konsequent das tun, was Jesus tut und nicht  durchgängig mit unserem Verhalten zeigen wie Jesus ist. Jesus stellt sich am Jordan solidarisch in die Reihe der Sünder. Die christliche Taufe wird mit Wasser vollzogen. Es ist aber Christus selbst, der tauft. Er tauft mit Feuer und mit Heiligen Geist. Ein Bildwort ist das für eine starke Kraft. Ich wünsche Ihnen Kraft für die neue Woche und Glaubenskraft in dieser Zeit.

2. Sonntag nach Weihnachten

Gott schenkt Zukunft. So deute ich das Wort des Apostels Paulus. Er schreibt an die Gemeinde in Ephesus: „Er (der Gott Jesu Christi) erleuchte die Augen eures Herzens, damit ihr versteht, zu welcher Hoffnung ihr durch Christus berufen seid.“ vgl. Eph 1,18 Wer mit den Augen des Herzens sieht, erkennt im Kind in der Krippe den verborgenen Gott. Gott offenbart sich, er macht sich sichtbar und berührbar in Jesus. Jesus ist, wie es der Anfang des Johannesevangeliums sagt, das „fleischgewordene Wort“. Gott spricht sich aus im Menschen und zwar in diesem konkreten Menschen Jesus von Nazaret. Das gibt der Welt Hoffnung. Zu Weihnachten haben wir uns beschenken lassen. In den Geschenken haben wir uns gegenseitig unser Wohlwollen ausgedrückt. Zuvor schon sind wir von Gott mit Wohlwollen beschenkt worden. Liebe entfaltet sich im Empfangen und im Geben. Wie Kinder durch die Liebe, die sie empfangen, lernen, was Liebe bedeutet, und selbst in der Liebe wachsen und fähig werden zu lieben, so lernen wir als Kinder Gottes aus der Liebe Gottes und werden wir befähigt, die Liebe Gottes weiterzugeben. Die Hirten, die zur Krippe kommen, erfahren es  und ebenso die heiligen drei Könige. Sie schenken und werden beschenkt. Die heiligen drei Könige kehren verändert nach Hause zurück. Die Begegnung mit Jesus hat sie verändert. Im Sonntagsevangelium wird es so gesagt: „Allen, die ihn aufnehmen, empfangen die Bevollmächtigung der Kinder Gottes.“ Jede und jeder von uns ist bevollmächtigt Gottes Liebe weiter zu schenken. Das ist Hoffnung für unsere Welt. Ich wünsche Ihnen weihnachtliche Hoffnungskraft.

Stefan Notz

4. Adventssonntag

Wie immer ist für uns Menschen der Anfang von etwas für das Ganze entscheidend. Weihnachten ist der Anfang. Im Kind von Betlehem macht Gott einen neuen Anfang mit uns. Der verborgene Gott macht sich für uns berührbar als Mensch unter Menschen. Ich kann Gott – wie einem Kind  - mit Herzlichkeit begegnen. Wir feiern Weihnachten in einer Zeit großer Umbrüche und Unsicherheiten im Blick auf die Zukunft unseres Planeten sowie auf das Zusammenleben der Menschen und auch im Blick auf das Christentum in Europa. Umso mehr staune ich, dass der Unendliche, der Allmächtige, sich in die schutzlose Vergänglichkeit und Zufälligkeit menschlicher Geschichte begibt. Gott kommt zur Welt. Die Geschichte der Welt und wir darin gehören schon ihm. Getröstet darf leben, wer Weihnachten für wahr nimmt. Den Trost der Heiligen Weihnacht wünsche ich Ihnen und Ihren Angehörigen im Namen aller Seelsorgenden unserer Propsteigemeinde St. Viktor.  

Stefan Notz, Propst

3. Adventssonntag

Im Lukasevangelium spricht Johannes der Täufer: „Er (Jesus Christus) wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen.“ (Lk 3, 16)  Heiliger Geist und Feuer, das klingt kurz vor Weihnachten schon sehr pfingstlich. Schon bei unserer Taufe und der Hl. Firmung wurden wir mit dem Heiligen Geist beschenkt. Heiliger Geist und Feuer bedeuten eine Dynamik, in die ich mich hineinstellen kann und die mich mitreißen kann. Für den Täufer Johannes bedeutete das konkret: teilen, maßhalten in allen Dingen und gerecht handeln. So berichtet es das Sonntagsevangelium. Der Apostel  Paulus sagt es so (vgl. Phil 4,4): Eure Güte werde allen Menschen bekannt. Wenn das in den Lebensalltag übersetzt werden kann, entsteht eben jene  Freude, von der am Sonntag der Freude (Gaudete = Freut euch) die Rede ist. Mit dem Täufer Johannes blicke ich auf Jesus, der seine Kirche in unserer Zeit motivieren will mit seinem Geist und mit seinem Feuer den Glauben zu leben.

Stefan Notz

 

2. Adventssonntag

Der 8. Dezember wird in der Kirche im allgemeinen als Fest  „Mariä Empfängnis“ bezeichnet. Offiziell heißt es: Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria. Die Gottesdienstordnung räumt dem Advent allerdings den Vorrang ein. Deshalb wird das Hochfest der Gottesmutter in diesem Jahr auf den Montag verschoben.  Maria wird vom Engel Gabriel aufgesucht. Die Botschaft lautet: Du bist voll der Gnade. Du sollst schwanger werden und einen Sohn gebären; dem sollst du den Namen Jesus geben. Viele Menschen tragen ihre Sorgen und ihre Lebenslast zu Maria. In unserem St. Viktor Dom werden beim Marienbild täglich Kerzen angezündet in den Anliegen der Beterinnen und Beter. Wer, wie Maria, zutiefst in Gott verwurzelt ist, der kann anderen Menschen Heimat geben, Heimat bei Gott. Der 8. Dezember, Fest Marias, ohne Erbsünde empfangen, ist das Fest des neuen Anfangs, den Gott mit uns Menschen macht. Für mich ist dieses Fest eine Quelle der Hoffnung. Gott lässt uns nicht allein. Er kommt uns entgegen.

1. Adventssonntag

„Richtet euch auf und erhebt euer Haupt, denn es naht eure Erlösung“. (Lk21,28) Jedes Jahr bedeutet die Adventszeit einen Einschnitt, um innezuhalten und zu bedenken, was uns trägt und hält, was unserem Leben Sinn und Richtung gibt. Die biblischen Lesungen sprechen vom „Ende der Welt“. Diese Redeweise erinnert daran, dass die scheinbar sicheren Ordnungen, auf die wir uns meistens verlassen, vergänglich sind.  Der Theologe Tomàs Halík schreibt: „Die Erfahrung einer Zeit, in der Gott nicht anwesend zu sein scheint, fordert heraus, neu und radikaler die Nähe Gottes zu entdecken und die »falsche Nähe« beziehungsweise die »Nähe der falschen Götter« zu demaskieren. Die göttliche Nähe Gottes zu entdecken - oder überhaupt nach ihr zu fragen - setzt jedoch voraus, mit vollem Ernst seine Verborgenheit, seine Distanz am eigenen Leib zu verspüren. Ohne diese Erfahrung könnten wir den Gott des christlichen Glaubens leicht mit einem jener banalen Götzen verwechseln, von denen die Auslagen und Stände der religiösen Anbieter heute voll sind.“  Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Advent 2024.

Stefan Notz

Christkönigssonntag

Der letzte Sonntag im Kirchenjahr ist der Sonntag Christus-König. Im Prozess vor Pilatus spricht Jesus: „Ich bin ein König, aber mein Königtum ist nicht von dieser Welt.“ (Joh 18,36) Bei A. Grün lese ich: „Der Archetyp des Königs meint, dass  ein Mensch selbst lebt, anstatt von außen gelebt zu werden, dass  sie oder er in sich steht, mit sich im Einklang ist. König ist jede und jeder, der in sich Ordnung schafft, der nicht nur das äußere Reich, sondern auch den inneren Bereich seiner Seele in einer guten Weise strukturiert.“ In der Feier der Heiligen Taufe sind wir gesalbt worden zu „Königen“. Das Königliche stammt von Gott. Es ist nicht von dieser Welt. Die Welt hat auch keinen Zugriff darauf. Daher sprechen wir in einem anderen Zusammenhang von der „unantastbaren Würde des Menschen“. Das Christ-König-Fest erinnert und stärkt unsere menschliche Würde. Als Königin und König darf ich Verantwortung übernehmen für das Land, das Gott mir anvertraut hat. Das ist kein äußeres Land, sondern eine Familie, eine Gemeinde oder eine Aufgabe, die mir anvertraut ist. Das ist auch das innere Land der eigenen Seele mit seinen Höhen und Tiefen. Könige sind Menschen, die aufhören andere für die eigene Situation verantwortlich zu machen und ihr Leben selbst in die Hand nehmen.

Stefan Notz

33. Sonntag im Jahreskreis

„Die Sonne verfinstert sich und der Mond scheint nicht mehr.“ Das Markusevangelium wählt ein kosmisches Bild für das Ende, für unser Sterben und unseren Tod. Nicht aus menschlichem Vermögen geschieht Rettung. Diese kommt vom Himmel: „Dann wird man den Menschensohn in Wolken kommen sehen, mit großer Kraft und Herrlichkeit.“ vgl. Mk13,26.Von daher versteht sich das Gleichnis vom Feigenbaum. Wie der aufblühende Feigenbaum den nahenden Sommer ankündigt, so sind wir dem Geheimnis unserer Rettung ganz nahe, wenn die Not einer Krise – der Tod -  uns schüttelt. Wer von der nahenden Rettung Gottes etwas ahnt, der sieht das Zerbrechen alles Gewohnten gar nicht im Vordergrund: Mögen Himmel und Erde vergehen, das heißt, wenn auch das ganze Gewölbe meiner Ideale und Überzeugungen einbricht – immer noch habe ich Jesus und seine Worte, die immer zum Gottvertrauen einladen. Wer sich daran hält braucht nicht auf Tag und Stunde zu schauen, denn nicht einmal die Engel kennen die letzte Stunde – nicht einmal der Sohn, sondern nur der Vater. Das genügt. Ich darf vertrauen, dass mein letzter Tag und meine letzte Stunde nicht meinen Untergang bedeuten. Gott hält mein Leben und mein Sterben, meine letzte Stunde in der Hand. Wie der aufblühende Feigenbaum den nahenden Sommer erwarten lässt, so „erkennt auch ihr, wenn ihr das geschehen seht, dass ER nahe vor der Tür ist“.

Stefan Notz

32. Sonntag im Jahreskreis

Immer wieder übt Jesus heftige Kritik an den Theologen seiner Zeit. „Nehmt euch in Acht vor ihnen! Sie fressen die Häuser der Witwen auf und verrichten in ihrer Scheinheiligkeit lange Gebete.“ (vgl. Mk12,40) Es bedarf nicht des schönen Scheins. Auf jede Form von Scheinheiligkeit, insbesondere in der Kirche, reagieren Menschen allergisch. Was aber macht den Menschen zur Christin bzw. zum Christen? Es geht darum wie wir auf Gottes Liebe antworten. Nicht irgendetwas sollen wir Gott geben, sondern wir sollen uns selbst hingeben und verschenken. Ich glaube diese Hingabe geschieht dann, wenn es mir gelingt ganz da zu sein, wo ich mich hingestellt finde. Jeder Tag bietet neue Konstellationen in Beziehungen und Konflikten, im Gelingen und im Scheitern. Wenn ich mit ganzer Aufmerksamkeit auch in den banalen und gewöhnlichen Augenblicken dabei bin, gebe ich Gott die Ehre. Hingabe vollzieht nicht der, der sich einkapselt in frommem Tun, sondern wer das  Hier und Jetzt seines Lebens – wie er eben ist – als persönlichen Ruf Gott auffasst.  Das kann ich zum Beispiel beobachten bei einer Verkäuferin, die freundlich bleibt, obwohl sie dem Kunden zum vierten Mal erklären muss, dass sein Sonderwunsch sich nicht erfüllen lässt.  Die Kritik Jesus an den Theologen ist hart. Sie ergehen sich im  groß tun und meinen groß sein zu müssen. Durch groß tun  mache ich mich selbst arm und traue Gott nicht zu, dass er die Welt erneuern kann.

Stefan Notz

31. Sonntag im Jahreskreis

Gottesliebe und Nächstenliebe gehören zusammen.  Für Jesus, so lese ich es im Markusevangelium (Mk12,33), ist der Mensch zur Liebe gerufen mit ganzem Herzen, ganzem Verstand und mit ganzer Kraft. Liebe geht nicht nebenher. Liebe fordert den ganzen Menschen. Sonst ist es nicht Liebe, sondern nur ein Baden in den eigenen Gefühlen. Sowenig wie es Kinder gibt, die gedankenlos spielen, weil man nur ganz ins Spiel versunken wirklich spielen kann, genauso gibt es  keine wirklich Liebenden, die das nicht mit allem täten, was ihnen zur Verfügung steht. Die Frage eines Bibelgelehrten nach dem wichtigsten Gebot beantwortet Jesus mit dem Urglaubensbekenntnis des Gottesvolkes: „Höre Israel, der Herr, unser Gott, ist der einzige Herr. Du den Herrn, deinen Gott lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deinen Gedanken und all deiner Kraft. Und du sollst deinen Nächsten und deine Nächste lieben wie dich selbst. Kein anderes Gebot ist größer als diese beiden. (vgl. Mk 12,30). „Höre, Israel!".  Wenn gläubige Jüdinnen und Juden das Glaubensbekenntnis sprechen, legen viele von ihnen die Hand über die Augen. Damit schützen sie sich vor Ablenkungen, denn auf dieses Gebet  wollen sie sich ganz konzentrieren. Liebe geht nicht nebenher oder mit halber Kraft. Sie verlangt das ganze Herz.

Stefan Notz

30. Sonntag im Jahreskreis

Ein Blinder kann den Sehenden die Augen öffnen. Das Markusevangelium berichtet von der Begegnung Jesu mit  Bartimäus. In Jericho stehen zahllose Menschen am Straßenrand und fragen sich, wer dieser Jesu sei? Der, der nichts sieht, der blinde Bartimäus, hat offenbar längst begriffen, wer Jesus ist. Er spricht ihn einfach an und vertraut ihm alles an, was ihm auf dem Herzen liegt: „Du, Jesus, Sohn Davids, hab Erbarmen mit mir!“ Während die Sehenden noch diskutieren, ob das am Sabbat erlaubt sei und wie man den Blinden zum Schweigen bringen könne, belehrt Jesus sie alle: Genau wie dieser Blinde muss man es machen! Um mit Jesus zu sprechen, müssen keine Voraussetzungen erfüllt sein: man braucht niemanden, der einen Kontakt herstellt oder eine Erlaubnis erteilt. Manchmal haben die, die nicht sehen können, mehr Durchblick als die sogenannten Fachfrauen und Fachmänner. Der Glaube hat Bartimäus gerettet. Ein gutes Gebet für die neue Woche: Herr, öffne uns die Augen, damit wir dich erkennen. Schenke uns ein sehendes Herz. Dann erkennen wir in dir den verborgenen Gott – mitten unter uns Menschen.

Stefan Notz

29. Sonntag im Jahreskreis

„Wer bei euch groß sein will, der soll dienen. Wer der erste bei Euch sein will, der soll der Sklave aller sein.“ (Mk10, 43-44) Das ist echte Frohbotschaft, die Jesus verkündet. Menschen denken : Gott oben – wir unten; er stark – wir schwach; er ewig – wir vergänglich. In Jesus kehrt sich das alles um: In ihm geht Gott ganz nach unten, bis in den Abgrund des Todes, um die Niedergedrückten aufzurichten. Jesus macht sich als erster zum Diener aller mit allem, was er hat – mit sich selbst.  Ich denke an Papst Franziskus, der immer wieder den Klerikalismus in der Kirche kritisiert. Wenn es um Priester geht, beginnt eine klerikale Haltung dort, wo jemand vor allem an sich interessiert ist und nicht am Volk Gottes, zu dem auch der Priester gehört und für das er als Priester da sein soll. Entscheidend ist hier nicht die Selbstwahrnehmung des Priesters, sondern die Erfahrung, die andere mit ihm machen. Früher war der Priester als „Heiliger Mann“ in der Regel unkritisierbar und unberührbar. Heute verschaffen sich die Erfahrungen von Menschen richtigerweise Geltung. Besonders sichtbar ist das im Kontext der Missbrauchsfälle.  Papst Franziskus markiert treffsicher den Klerikalismus als Gestus der Erhabenheit und der Abwertung der anderen. Deshalb ist das Wort aus dem Sonntagsevangelium für mich so wichtig. Es erinnert mich daran, dass alle Getauften – auch die Priester – die grundlegende Aufgabe haben „Zeichen und Werkzeug der Liebe Gottes“ zu allen Menschen zu sein. „So ist auch der Menschensohn nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben….“ (10,45)

Stefan Notz

28. Sonntag im Jahreskreis

Der Evangelist  Markus schildert eine Begegnung. Ein Mann läuft auf Jesus zu. Er stellt Jesus die Lebensfrage schlechthin. Es geht ihm um ewiges Leben. Alles andere hat er wohl schon. In jeder Hinsicht. Reichtum, materielle Unabhängigkeit, Ansehen. Was aber ist gemeint mit ewigem Leben? Im Credo der Kirche heißt es: Ich glaube an das Ewige Leben. Die Theologie spricht vom Leben, insbesondere vom ewigen Leben, vom Leben der kommenden Welt. Sie redet von Hoffnungen über den Tod hinaus. Die Biologie spricht auch vom Leben, vom Leben vor dem Tod, vom verlängerten und optimierbaren Leben etwa durch KI oder Biotechnologie. Theologen sprechen von Hoffnungen, Biologen von Fakten. Ich hoffe, dass Gott den Tod in Leben verwandelt. Das alles Enden  zur Vollendung wird und der Untergang des alten zum Aufgang eines neuen Lebens ohne die Begrenzung durch Raum und Zeit. Im Schlussgebet der Heiligen Messe vom 28. Sonntag im Jahreskreis betet die Kirche: „Gib uns durch dieses Sakrament auch Anteil am göttlichen Leben.“ Er, unser Gott,  tut es. Darauf hoffe ich.

Stefan Notz

27. Sonntag im Jahreskreis

„Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast.“ So antwortet  Maria gemäß dem Evangelium des Lukas (Lk 1) als der Engel Gabriel zu ihr spricht: Freue Dich, Gott ist mit Dir! Im Rosenkranzgebet wird das Leben Jesu betrachtet. Durch die Wiederholung, die ein Kennzeichen dieser Gebetsweise ist, geschieht Verinnerlichung. Das bedeutet geistlichen Gewinn für die Beterinnen und Beter seit Jahrhunderten und auch in der Gegenwart. Das Rosenkranzfest wird am 7. Oktober gefeiert. In Marienbaum bildet es jedes Jahr den Abschluss der Wallfahrtszeit. Das Rosenkranzfest gilt nicht dem Rosenkranz selbst, sondern Maria, der Rosenkranzkönigin. Das Fest wurde 1572 eingeführt und 1716 in den Kalender für die ganze Kirche übernommen. Der Gruß des Engels gilt jedem, der, wie Maria, das Herz öffnet für Gottes Wort: „Sei gegrüßt, du bist voll der Gnade; der Herr ist mit dir.“ Als Maria einmal selbst davon sprach, was Gott an ihr tut, da hat sie gesungen: „Meine Seele preist die Größe des Herrn und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter.“ Mit Maria können wir mit diesen Worten singen und beten, damit wir nicht vergessen, was Gott tut und was wir erwarten dürfen.

Stefan Notz

26. Sonntag im Jahreskreis

Wahrscheinlich gibt es kaum eine Stelle im Evangelium, die schwieriger zu deuten ist als die Rede Jesu (Mk 9,38-48) mit ihren drastischen Bildern: Es sei besser für den Sünder mit einem „Mühlstein um den Hals ins Meer geworfen“ zu werden oder es sei besser „verstümmelt in das Leben zu gelangen, als mit zwei Händen in die Hölle zu kommen.“ Wie verstehe ich Rede Jesu? Jesus will uns klar machen: Wir haben keinen Grund das Böse zu verharmlosen. Es greift immer wieder tief in unser Leben. Das Böse beschädigt und zerstört Leben. Wir verlieren unsere Menschlichkeit. Jesus warnt daher so eindringlich, weil es um unser Wohl und Wehe geht, um unser Bestehen vor Gott, an dem alles gelegen ist. Jesu Ruf zur Entschiedenheit für das Reich Gottes schränkt unsere Freiheit nicht ein. Im Gegenteil, das Evangelium öffnet eine Großzügigkeit, wie sie Menschen einander nur selten gewähren. „Wer nicht gegen uns ist, der ist für uns.“ Gut und Böse sind zu unterscheiden. Wir tun gut daran auf Jesus zu blicken – und in ihm den Eingang zu jenem Leben zu finden, das er zusagt.

Stefan Notz

25. Sonntag im Jahreskreis

Wer bei euch groß sein will, sagt Jesus im Evangelium des Sonntags (Mk9, 35), der soll tun, was Er getan hat. Manchmal lese ich, dass damit die Gesinnung des Dienens gemeint sei. Dagegen erhebt Bischof em. Franz Kamphaus Widerspruch: Jesus hat uns nicht durch seine Gesinnung erlöst, er hat „sein Leben hingegeben als Lösegeld für viele“. Nachfolge erschöpft sich nicht im Nachsinnen. Wir müssen uns in Bewegung setzen, aufbrechen zu einem neuen Verhalten, das neue Verhältnisse schafft. Soweit der Gedanke von Bischof Kamphaus. Jesus sucht keine Effekte oder spektakuläre Ereignisse. Jesus nimmt ein Kind in seine Arme. Damit demonstriert er, was sein ganzes Dasein verkündet: Gott zeigt seine Größe darin, dass er absteigt vom Himmel in die irdische Lebenswirklichkeit von uns Menschen und sich dadurch verletzbar macht. Ein Kind ist verletzlich und schutzbedürftig. Ein Kind muss um Sorge und Annahme bitten. Damit ist das Kind das reale Symbol Gottes. Alles Tun und Lassen als Kirche und als individuelle Christenmenschen kommt nicht am Vorbild Christi vorbei: „Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit ihr so aneinander handelt, wie ich an euch gehandelt habe.“ (Joh 13)

Stefan Notz

24. Sonntag im Jahreskreis

Im Markusevangelium (Mk 8,27-35) gibt Petrus eine gute, eine sozusagen korrekte Antwort auf die Frage Jesu für wen seine Jünger ihn halten. „Du bist der Messias“. Zur Zeit Jesu haben sich viele den Messias vorgestellt als eine Art Wundertäter. Der Messias würde das unterdrückte Israel von den Römern befreien, so war die verbreitete  Erwartung damals. Kaum hat Petrus das Bekenntnis ausgesprochen, stoppt ihn Jesus. Er verbietet die Verwendung des Messias-Titels. Stattdessen weist Jesus auf sein Schicksal hin: viel Leiden, Verwerfung, Tötung und Auferstehung. Petrus, der nichts von alledem hören will, wird als „Satan“ weggeschickt. Jesus enthüllt in dieser Szene  das entscheidende Werk seiner Sendung: die Hingabe seines Lebens. Er gibt sein Leben nicht nur für die Jünger, sondern für alle, die ihm glaubend folgen. „Wer sein Leben retten will, wird es verlieren.“ Es geht um die volle Hingabe  seiner selbst, sei es an Gott oder sei es an den Nächsten. Die Heilige Taufe und die Heilige Firmung besiegeln uns mit dem Zeichen des Kreuzes. Im Zeichen des Kreuzes Jesu Christi können wir die Kraft gewinnen unser Leben einzusetzen, damit wir es in Gott gewinnen.

Stefan Notz

23. Sonntag im Jahreskreis

Am 8. September begeht die katholische Kirche das Fest Mariä Geburt. Normalerweise werden die Todestage der Heiligen begangen, also die Geburtstage zum Himmel. Nur von drei Personen wird der Tag der Geburt in das irdische Leben gefeiert: Jesu Geburt am 25. Dezember; die Geburt Johannes des Täufers am 24. Juni und Mariä Geburt am 8. September. Die Bibel erwähnt an keiner Stelle die Geburt Mariens. Ein außerbiblisches Zeugnis (Protoevangelium des Jakobus) erzählt von der Empfängnis und der Geburt Mariens. Nachdem die Eltern Joachim und Anna lange kinderlos geblieben waren, bekamen sie bei einem Gebet im Tempel in Jerusalem die göttliche Zusage, noch im hohen Alter ein Kind zu bekommen. Anna brachte eine Tochter zur Welt und nannte sie Maria. Ein altes Lied besingt die Geburt Mariens sowie die Geburt Jesu in Anspielung auf einen Text des Propheten Jesaja (Kapitel 9,1) Es ist ein Ros entsprungen, aus einer Wurzel zart, wie uns die Alten sungen, von Jesse kam die Art. Und hat ein Blümlein bracht mitten im kalten Winter, wohl zu der halben Nacht. Das Röslein, das ich meine, davon Jesaja sagt, ist MARIA, die reine, die uns das Blümlein bracht. Aus Gottes ew´gem Rat hat sie ein Kind geboren und bleib doch reine Magd. (vgl. Gotteslob 243)
Anmerkung: Die liturgische Ordnung gibt den Sonntagen im Jahreskreis den Vorrang vor den Heiligenfesten. Daher wird in diesem Jahr der 23. Sonntag im Jahreskreis gefeiert und nicht das Fest Mariä Geburt.

Stefan Notz

22. Sonntag im Jahreskreis

Die Glaubens- und Gebetspraxis kann veräußerlichen. Diese Gefahr war wohl schon in der Gemeinde des Evangelisten Markus gegeben. Was den Menschen „unrein“, das heißt gottunfähig macht, kommt von innen, aus dem Herzen des Menschen. Es gibt nichts Äußeres, dass den Menschen unrein macht. Jesus streitet mit den Pharisäern. Einige Jünger Jesu essen Brot ohne die vorgeschriebene Reinigung der Hände. Daher die vorwurfsvolle Frage an Jesus: warum halten deine Jünger sich nicht an die Tradition? Sichtbare Gesten und Frömmigkeitsformen erleichtern den  Glaubensvollzug, damals und heute.  Manchmal kommt es aber zum Streit. Zur Zeit Jesu  waren es Reinigungsvorschriften. Heute sind es zum Beispiel Diskussionen um den Kommunionempfang:  Handkommunion oder Mundkommunion, Knien oder Stehenbleiben? Wie soll ein Priester gekleidet sein? Priesterkragen oder Krawatte? Äußere Stützen des Glaubens können ein Gewicht bekommen, dass sie statt den Weg zu Gott zu ebnen zu „Heiligen Kühen“ werden. Dagegen wendet sich Jesus: „Nichts, was von außen in den Menschen hineinkommt, kann ihn unrein machen, sondern das Böse kommt von innen und macht den Menschen unrein.“ (Mk 7,15) Auch für die Kirche ist damit der Maßstab gesetzt. Sie muss unterscheiden wo Gewohnheiten nicht mehr helfen ihre Aufgabe zu erfüllen. Ob angesichts des Priestermangels weiterhin nur Kandidaten von der Kirche akzeptiert werden können, die unverheiratet bleiben wollen, ist für mich eine der Fragen in der Perspektive des Evangeliums.

Stefan Notz

21. Sonntag im Jahreskreis

Jesus nimmt für seine Worte die Qualität in Anspruch „Geist und Leben“ zu sein (Joh 6, 63). Jesus sagt im Evangelium des heutigen Sonntags: „Der Geist ist es, der lebendig macht. Das Fleisch nützt nichts.“ Geist und Fleisch sind in der bildhaften Sprache der Bibel die Namen für zwei grundlegende Sichtweisen. Ich kann die Welt und das Leben so oder so betrachten. Wenn ich es in der Sehweise des Fleisches anschaue, dann geht es um das Handgreifliche und Feststellbare, um das, was vor Augen liegt und sich bewerkstelligen lässt. In dieser Sehweise beurteile ich alles danach, ob es meinem momentanen Empfinden gerade zuträglich ist oder nicht. Die Sehweise des Geistes lässt sich nicht beruhigen mit dem Vordergründigen, dem Nützlichen oder Angenehmen. Eine andere Tiefe wird vom Geist gesucht: die verborgene Wirklichkeit Gottes. Für Jesus ist das Sehen der Innenseite der Dinge der Zugang zum Leben wie es wirklich ist und nicht nur wie es scheint. Für mich ist das Evangelium von Jesus Christus die fortdauernde Einladung beide Sehweisen zum Menschen gehörig zu versehen. Der Geist hilft mir die Innenseite der Wirklichkeit zu ahnen: das Geheimnis Gottes.

Stefan Notz

13. Sonntag im Jahreskreis

„Komm, Jesus, meine Tochter liegt im Sterben. Komm und leg ihr die Hände auf, damit sie geheilt wird und am Leben bleibt.“ (Mk5 23)  - Gott hält sich nicht distanziert von Leid und Tod.. Er lässt sich  hineinziehen in unsere Wirklichkeit, wo gelitten und gestorben wird. Er lässt uns nicht allein damit. Wir sehen als Glaubende Sterben und Tod in einem anderen Licht. Wir dürfen annehmen, dass Gott auch in den dunklen und dunkelsten Stunden bei uns ist. Das ist die Antwort des Evangeliums auf die lastende Frage nach Tod und Leid. Beides wird dadurch nicht abgeschafft – weil zumindest das Sterben natürlicherweise zu unserem Leben gehört. Aber wir können anders umgehen mit beidem: wir werden nicht fortgerissen aus Gottes Hand. Das lässt sich, denke ich, nur erbeten. Und dann erfahren. Und vielleicht erzählen. Ich wünsche mir und Ihnen diese Hoffnungskraft.

Stefan Notz

 

(in der Zeit der Sommerferien Juli/ August mache ich eine Pause mit den Gedanken zum Sonntag. Allen eine gute Sommerzeit und – hoffentlich – Zeit zur Erholung. Propst Notz)

12. Sonntag im Jahreskreis

„Warum habt Ihr solche Angst? Habt ihr noch keinen Glauben?“. (Mk4, 40) Jesus ist mit den Jüngern im Boot. Es tobt ein Sturm. Die Wellen schlagen hoch. Es scheint, als beruhige Jesus wie beiläufig das Meer und den Wind. Den Sturm, das Auf und Ab der Gegenkräfte im Leben, erlebt derjenige als gefährlich, der Angst hat. Die Angst ist das Gegenteil von Glaube. Glaube bedeutet: ich traue Gott. Ganz sicher begegnen auch glaubenden Menschen  Gefahren und lebensbedrohende Widerwärtigkeiten. In allem aber wissen sich Glaubende über alle Abgründe hinweg gehalten. Wer glaubt, ist so stark, dass sich der Sturm und die Wogen der Angst vor ihm legen. Wie vor Jesus, weil er Gott ganz traute. Sein gott-menschliches Wort, die Frohe Botschaft von Gott, der uns trägt, wirkt das Wunder, dass der Sturm in uns still wird. Ein solches Vertrauen wünsche ich mir für mich und für uns alle in diesen Zeiten der Unsicherheit und der Zukunftsangst, die viele Menschen bedrücken.

Stefan Notz

11. Sonntag im Jahreskreis

„Durch viele Gleichnisse verkündete er (Jesus) Ihnen das Wort, so wie sie es aufnehmen konnten.“ (Mk 4,26-34) Zwei Gleichnisse erzählt Jesus im Sonntagsevangelium vom Wachstum des Reiches Gottes. Das erste legt den Ton auf das Wachstum der Saat. Der Bauer gibt dem Samen nicht die Kraft des Wachstums. Der Mensch trägt durchaus seinen Teil bei, doch die Hauptarbeit leistet nicht er, sondern Gott, während der Mensch „schläft und wieder aufsteht.“ Das zweite Gleichnis für das Reich Gottes ist ein Beispiel für die zahlreichen Aussagen Jesu, dass das „Kleinste“ im Reich Gottes zum „Größten“ wird, eben weil es sich klein gemacht hat und sich an den „letzten Platz“ gesetzt hat. Jesus spricht hier, denke ich, von sich selbst. Er hat in seinem Erdenleben den letzten Platz eingenommen – am Kreuz. Im Neuen und im Alten Testament haben Gleichnisse nichts mit der Moralität des Menschen zu tun, sondern mit der Erhabenheit Gottes. Im Reich Gottes öffnen sich so viele Möglichkeiten, die alles überbieten, was menschliche Leistung vollbringen kann. Da kann man nur staunen. Das Reich Gottes wächst  – „der Mensch weiß nicht, wie“.

Stefan Notz

10. Sonntag im Jahreskreis

Draußen vor dem Haus sind Jesu Mutter und seine Brüder. Jesus fragt: wer sind meine Mutter und wer sind meine Brüder? Jesus lenkt in dieser Szene des Evangeliums (Mk3,20-35) den Blick auf die, die rings um ihn sitzen. Das sind die, die ihm Zeit schenken und ihm zuhören. Eben diese erklärt Jesus zu seiner Familie. „Wer den Willen Gottes tut, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter.“ Für mich ist das Evangelium eine fortdauernde Einladung zur Schwester oder zum Bruder Jesu zu werden, also in seine Verwandtschaft hinein zu wachsen. Klaus Müller, langjähriger Theologieprofessor in Münster schreibt: „Was ein theologisches Lehrbuch – durchaus richtig -  auf einer halben Seite formuliert, das mit dem Herzen zu ergreifen, das kann manchmal 15 Jahre oder länger dauern.“ Schwester und Bruder Jesu kann ich werden, wenn ich staunen kann über ihn, der in dem, was er sagt, was er tut und was er ist deutlich macht, was Gott für uns tut und mit uns vorhat. Ich wünsche mir dieses Wachstum für mich selbst und für unsere ganze Kirche. Einen guten Sonntag wünscht

Stefan Notz

9. Sonntag im Jahreskreis

„Der Sabbat ist im alttestamentlichen Schöpfungsbericht der Höhepunkt der Schöpfungswoche, höchster Feiertag Israels und seine Nichteinhaltung ist Gegenstand schärfster prophetischer Kritik. Sein hervorragendstes Merkmal ist das Gebot der Arbeitsruhe, einzuhalten an jedem siebten Tag.“ So ist es in einem theologischen Fachlexikon zu lesen. In den Lesungen des Sonntags geht es um die Bedeutung des Sabbat für den Menschen. Im fünften Buch Mose wird der Sabbat mit der Befreiung aus Ägypten begründet; nur freie Menschen können ruhen und Feste feiern:: „Gedenke, dass du Sklave warst in Ägypten und dass dich der Herr, dein Gott, mit starker Hand und ausgestrecktem Arm von dort herausgeführt hat. Darum hat dir der Herr, dein Gott, geboten, den Sabbat zu begehen.“ (Dtn 5,15) Die frühen Christen fanden in Christus die wahre Sabbatruhe. Er lag an einem Sabbat im Grab. Am nächsten Tag, dem Tag nach dem Sabbat, stand er von den Toten auf. Mit Christus hat eine neue Schöpfung begonnen. Der Sonntag hat daher eine besondere Stellung als Tag des Herrn. Im Markusevangelium sagt Jesus: „Der Menschensohn auch Herr über den Sabbat.“ (Mk2,27) Der Sabbat und der Sonntag erinnern uns daran, dass wir freie Menschen sind; als Erlöste und Befreite dürfen wir leben. Einen gesegneten Sonntag wünscht Ihnen

Stefan Notz

Dreifaltigkeitssonntag

Jesus sendet die Jünger aus: „Geht und tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geites.“ (Mt28) Am Sonntag nach Pfingsten ehrt die Kirche die Heiligste Dreieinigkeit: Vater, Sohn und Geist. Gott ist in menschlichen Begriffen nicht zu fassen. „Wenn du es begriffen hast, ist es nicht Gott“, sagt der Hl. Augustinus. Und doch macht Gott sich selbst für uns verstehbar. Er offenbart sich als Schöpfer der Welt und in der Geschichte des Volkes Israel und endgültig in Jesus, dem Christus. Der Heilige Geist heiligt die Welt durch seine Gegenwart. In diesem Geist sollen Christi Jüngerinnen und Jünger den Menschen die Liebe und Güte Gottes vermitteln und den Glauben an den dreieinen Gott vertiefen. Der Glaube braucht Beziehung, nämlich die Beziehung zu Gott. Wie auch Gott nicht einsam ist, sondern innerhalb der göttlichen Dreifaltigkeit ganz Liebe und Gespräch ist, so braucht unser Glaube das Gespräch mit Gott im Gebet, das Hören auf sein Wort, den Empfang der Sakramente und den geschwisterlichen Austausch des Glaubens. Alles steht und fällt mit der Zusage unseres Herrn: „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“                                               

Stefan Notz

Pfingsten

Pfingsten ist das Fest des Heiligen Geistes. Pfingsten ist ein Ereignis. Da ist viel Energie  - die Apostelgeschichte sagt das im Bild der Feuerzungen. Pfingsten bewegt. Die Jüngerinnen und Jünger verlassen das Haus, gewinnen neuen Mut und gehen unter die Menschen. Der Geist von Pfingsten will auch uns „leiten“ und „führen“. Die Wahrheit Christi dürfen wir nicht nur  glauben, sondern sollen sie tun. Der Apostel Paulus spricht von den Früchten des Geistes, zum Beispiel Milde, Freundlichkeit und Geduld. Das sind nicht nur Charakteranlagen. Früchte des Geistes haben eine tiefere Quelle: Gottes heiligen Geist. In der Kraft des Geistes Gottes kann es gelingen, allen Geschöpfen Menschenwürde und Respekt entgegen zu bringen. Gott „gießt seinen Heiligen Geist aus in unsere Herzen“. Es ist dieser geistreiche Gott, der uns zu inspirierten Geschöpfen macht. Die geistliche Überlieferung kennt die sieben Gaben des Heiligen Geistes: Weisheit und Verstand, Rat und Stärke, Wissenschaft, Frömmigkeit und Gottesfurcht. Dem Gott, der diese Gaben gibt, möchte ich vertrauen. Ich wünsche uns allen die Gaben des Heiligen Geistes.

Stefan Notz

7. Sonntag der Osterzeit

„Alle wurden vom Heiligen Geist erfüllt“, so steht es in der lukanischen Apostelgeschichte (Apg2, 4). Es ist Gottes Geist, der Leben schafft und allem Lebendigkeit verleiht. Ich stelle mir einen Menschen vor, der bei strenger Sonnenhitze durch die Wüste irrt. Alles um ihn herum und auch er selbst ist ausgetrocknet. So geht es mir selbst manchmal auch. So geht es, denke ich, vielen Menschen. Sie sind körperlich oder seelisch ausgelaugt. Es fehlt ihnen an Saft und Kraft. In einer Phase innerer Trockenheit kommt man leicht in die Versuchung aus jeder „Pfütze“ zu trinken. Dann nimmt man alles mit, was sich an Ablenkung bietet. Die Bibel spricht vom Geist Gottes im Bild vom lebensnotwendigen Wasser. Der Geist Gottes verwandelt die „Wüste“ in einen bewässerten, fruchtbaren Garten. Er schenkt das nötige Wachstumsklima. Ohne diesen Lebensspender kann nichts wachsen und gedeihen. Unsere Kirche durchlebt in der Gegenwart eine Zeit geistlicher Dürre. Sie braucht eine neue Ausgießung des Heiligen Geistes. Sie braucht die Erfahrung des Pfingstfestes. Ich wünsche uns die belebende Kraft von Gottes Heiligem Geist. Frohe Pfingsten.
Stefan Notz

6. Sonntag der Osterzeit

„Bleibt in meiner Liebe!“ (Joh 15,9) Das Evangelium vor Christi Himmelfahrt hat den Charakter eines Testamentes: die Worte Jesu sollen in den Herzen seiner Freundinnen und Freunde lebendig bleiben, also auch nach seiner Himmelfahrt. Jesu Liebe bleibt, wenn die Jüngerinnen und Jünger, also auch wir, in seiner Liebe bleiben. Jesus hat uns nicht nur etwas von der Liebe Gottes gezeigt oder mitgegeben; er hat alles gegeben. Der Theologe Hans Urs von Balthasar schreibt dazu: „Christus hat den ganzen Abgrund der Liebe Gottes mitgeteilt und uns erwählt, darin zu leben; was ist selbstverständlicher, als dass wir dieses Alles – ausser welchem es nur das Nichts gäbe – uns genügen lassen? Ja, dieses mitgeteilte Alles ist etwas, um was wir den Vater immer neu bitten dürfen. Sind wir bei Christus, dann wird uns der Vater alles geben.“ Das Evangelium blickt, so verstehe ich es, schon auf Pfingsten voraus: die Gabe ist Gottes Heiliger Geist, der in uns die Aufgabe zu lieben erfüllen hilft. Ein Gebet von Sr. Nadya Ruzhina, OSB, lautet: „Oh, Geist Gottes in mir, lehre mich dich immer mehr lieben, so dass ich meinem Herrn und Gott Jesus Christus nachfolgen und im Alltag auf seinen Spuren bleiben kann. Lehre mich, tiefer im Glauben zu wachsen und das zu werden, was du von jeher gewünscht hast. Heiliger Geist lebe in mir. AMEN.“ Ich wünsche uns den Heiligen Geist Gottes, damit wir bleiben: Er in uns und wir in ihm.

Stefan Notz

5. Sonntag der Osterzeit

Das Sonntagsevangelium vom 5. Sonntag in der österlichen Zeit (Joh 15,1-8) stellt Jesus im Bild des Weinstocks vor. „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. (…) Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht; denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen.“ Getrennt von Jesus sein, das bedeutet: Ohne Gottvertrauen mit Gott und der Welt und sich selbst zurechtkommen wollen. Was würde das heißen? Ohne Gottvertrauen leben bedeutet: misstrauisch sein müssen, voller Angst, zu kurz zu kommen und immer in Angst um den eigenen Anteil an allem gebracht zu werden. Ohne Güte leben heißt: alles, was ich gut meine und auch gut mache, wird als selbstverständlich und ohne ein Wort des Dankes hingenommen. Darum ist keine Übertreibung des Evangeliums, wenn Jesus sagt: Wer nicht in mir bleibt – also: wer ohne Gottvertrauen und Güte lebt, der wird wie eine unfruchtbare Rebe weggeworfen, und er verdorrt. Die Trennung von Jesus ist für den, der Jesus als maßgeblich für das Menschlichsein erkannt hat, nicht vorstellbar. Dass uns das nicht geschieht, dazu sind wir Kirche: Durch unser gemeinsames Hören, Beten und Feiern und auch durch unser Glaubenszeugnis füreinander vertiefen und festigen wir die Verbundenheit mit Jesus Christus. Und umgekehrt: Durch diese Verbundenheit mit ihm sind wir Kirche. Mehr braucht es dazu nicht. Aber das braucht es unbedingt.

Stefan Notz

 

4. Sonntag der Osterzeit

„weiter – höher – schneller“, diese Lebenseinstellung funktioniert schon lange nicht mehr, das zeigt sich in vielen Bereichen des Lebens und der Gesellschaft. Wir leben in einer Zeit mit vielen Veränderungen, und oft wissen wir noch nicht wirklich, wo es hingehen soll mit Blick auf unsere Lebensfragen, mit Blick auf die Schöpfung oder in unserer Kirche. Weiterleben wie bisher? Oder weiterleben und etwas Neues wagen? Es kann sein, dass es wichtig ist, etwas anders zu machen als bisher – um des Lebens willen. Weiterleben bedeutet für mich der Hoffnung Raum zu geben, also nicht alles zu eng sehen. Das Evangelium bedeutet schließlich  Weite und schenkt Luft zum Atmen. Ich kann darauf achten, wo mehr Leben, mehr Freude und mehr Freiheit wachsen. Dazu ist für mich Jesus Christus der Weg. Er wird am 4.  Sonntag  der Osterzeit vorgestellt als der Gute Hirte, der sein Leben für die Seinen gibt. An der Seite des guten Hirten ist eben genau das möglich: weiterleben. Nicht im Sinne einer fortgesetzten Ausbeutung des Lebens  nach dem Motto „Schneller, höher und weiter“, sondern im Sinne des Evangeliums: Er, der gute Hirte, schenkt uns sein Leben. Wir dürfen es annehmen und verantwortlich gestalten für die Schöpfung, für Menschen und in den Fragen unserer Zeit. So werden aus Jüngerinnen und Jüngern Jesu auch gute Hirtinnen und Hirten im Heute.

Stefan Notz

3. Sonntag der Osterzeit

Die Zeugen der Auferstehung zweifeln. Sie halten den Auferstandenen für eine Art Gespenst. So berichtet es der Evangelist Lukas (24,37ff.). In einer italienischen Übersetzung steht dafür das Wort „fantasma“. Doch die Jünger phantasieren nicht. Der Auferstandene ist der Gekreuzigte. „Kein Geist hat Fleisch und Knochen, wie ihr es bei mir seht“, entgegnet Jesus den Jüngern und zeigt ihnen seine Hände und seine Füße. Bei Joseph Ratzinger (später Papst Benedikt XVI.) lese ich: „Ein Glaube, der nicht Fleisch und Knochen hat, ist bloß intellektuell oder geistlich oder gefühlsmäßig. Er wäre keine Antwort auf die Gegenwart Jesu; Glaube wäre dann nur ein Ornament für einige schöne Anlässe, für den einen oder anderen Sonntag, für die Hochzeit, für die Taufe usw.. Der Auferstandene aber hat Fleisch und Knochen, und deshalb muss unser Glaube jeden Tag Fleisch werden, d.h. eintreten in unsere sozialen Beziehungen, in unsere Arbeit. Glaube muss mit Fleisch und Knochen Wirklichkeit werden.“ Ich wünsche, dass der Glaube für uns immer neu Hand und Fuß bekommt.

Stefan Notz

2. Sonntag der Osterzeit

„Friede sei mit euch!“ (Joh 20,19) Mit diesen Worten tritt Jesus, der Auferstandene, in die Mitte seiner Jünger. Jesus kommt, so berichtet es Johannes, als die Türen verschlossen waren. Das Evangelium spricht in Bildern und will sagen: Du kannst noch so entmutigt, so eingesperrt, so schuldig, so ohnmächtig sein, wie du willst – wenn Gott wirklich Gott ist, ist das für ihn kein Hindernis. Das hat Jesus durch sein Leiden und Sterben sichtbar gemacht. Die Jünger waren damals entmutigt, nach Jesus gekreuzigt worden war. Das erste Wort des Auferstandenen lautet: Friede sei mit euch. Übersetzt in die Sprache von heute heißt das: Habt keine Angst! Vom Apostel Thomas wird gesagt, er war nicht dabei als Jesus kam. Ihm sagt Jesus das Wort: Selig sind, die nicht sehen und doch glauben. Das ist genau unsere Situation im Glauben. Auch unser Glaube kann sich auf keine Erscheinungen stützen. Unser Glaube gründet sich – wie bei Thomas – auf dem Leben und Sterben Jesu. Im Klartext: Wer lebt, wie Jesus lebte; wer tut und sagt, was er tat und sagte; wer schließlich stirbt, wie er starb – von dem darf man überzeugt sein, dass er mit allem, was zu seinem Leben gehörte, nicht verloren geht, sondern auf immer in Gottes Hand gerettet sein und bleiben wird. Jesu  Leben und Sterben ist das eigentlich glaubwürdige Zeichen seiner Auferstehung. Ostern ist keine Idee, sondern eine Erfahrung. Die Erfahrung machen und weitergeben werden wir, wenn wir uns an das halten, was der Auferstandene dem kritischen Thomas rät: nicht sehen und doch glauben.

Stefan Notz

Ostersonntag

Am Ostermorgen, so berichtet es das Markusevangelium (Mk16,1-7) finden die Frauen das Grab Jesu offen. Der Stein ist weggewälzt. Ein Engel sagt Ihnen: “Ihr sucht Jesus von Nazaret, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden; er ist nicht hier.” Das ist die Osterbotschaft, die uns verkündet wird. In der Hl. Osternacht erneuern wir unser Taufbekenntnis und werden mit dem neuen Taufwasser besprengt. Das Wasser der Taufe sagt mir: Gottes Kraft, das Leben selbst, durchdringt uns. Daraus gewinne ich Kraft zum Leben. Ich darf der Osterbotschaft trauen. Gott schenkt ein neues Beginnen inmitten einer Welt von Leid und Tod. Ich darf dem Leben trauen und muss dabei den Tod nicht verdrängen. Ostern sagt mir: ich muss dem Tod nicht davonlaufen. Ich würde dann den Sinn für das Leben verlieren. Jesus ist dem Tod nicht aus dem Weg gegangen. Er hat ihn kommen sehen. Der Karfreitag ist daher keine menschliche Panne , sondern Menschlichkeit bis zum Äußersten. Im Blick auf den gekreuzigten Jesus begreife ich, was Ostern ist: Leiden und Tod nicht einfach hinzunehmen- und schon gar nicht zu verdrängen, sondern anzunehmen und mitzutragen. Darin liegt Hoffnung für die Erde und die Menschen, die auf ihr leben. Weil Christus lebt - füreinander aufstehen. Wo das zu spüren ist, da wird Ostern.

Stefan Notz

Palmsonntag

Jesus zieht in Jerusalem ein. So berichtet es das Markusevangelium am Palmsonntag. Mit Zweigen in den Händen rufen die Menschen  freudig „Hosianna – gelobt sei Jesus, der im Namen Gottes kommt“. Die Freude dauert  nicht lange. Die Begeisterung über Jesus schlägt um in das „Kreuzige ihn!“. Ich sehe Jesus auf dem Esel in  Jerusalem einziehen. Mir wird klar: Jesus ist nicht der stahlgehärtete Siegertyp, der unberührt an den Leidensgeschichten der Menschen vorbeigeht oder über sie weg. Er ist kein Held wie Siegfried von Xanten. Er geht die dunklen Wege menschlicher  Ohnmacht mit bis zum toten Punkt. Er verzichtet im Ölgarten auf das Schwert. Er geht freiwillig in ein Gerichtsverfahren, das ihm keine Chance lässt. Er lässt sich lieber niederschlagen und aufs Kreuz legen, als dass er andere niederschlägt. Jesus geht diesen  Weg konsequent für uns. Ich beginne  zu verstehen, dass Gott nicht allmächtig genannt wird, weil er vordergründig alles kann, was er will, sondern weil er auch noch die Macht der Vergeltung durch die Macht der Liebe verwandeln kann. Solche verwandelnde Liebe ist die größere Macht. Martin Luther King hat das schon richtig verstanden: »Macht mit mir, was ihr wollt, ich werde euch dennoch lieben.“ Ihnen allen wünsche ich gesegnete Kartage.

Stefan Notz

5. Fastensonntag

Von Erhöhung spricht das Evangelium des Sonntags. Christus wird erhöht am Kreuz. “Wenn ich über die Erde erhöht bin, werde ich alle an mich ziehen.“ (Joh12,32) Der Evangelist Johannes greift damit ein alttestamentliches Wort auf, das mit neuem Sinn gefüllt wird. Erhöhung drückte bis dahin die Einsetzung in die Königswürde aus. Johannes setzt „Erhöhung“ ein für den Vorgang der Kreuzigung, bei  dem Christus über die Erde „erhöht“ wird. Für das Johannesevangelium fallen der Karfreitag, Ostern und Christi Himmelfahrt ineinander. Das Kreuz erscheint als Königsthron, von dem aus Christus regiert und die Menschen mit weit geöffneten Armen an sich zieht. Bei Joseph Ratzinger (später Papst Benedikt XVI.) lese ich. „Christus am Kreuz ist das Gegenbild zu Adam, dem ersten Menschen, der in eigenmächtiger Anmaßung sich selbst erhöhen, sich selbst vergotten wollte und darüber sich selbst zerstörte und verlor. Die Erhöhung Christi ist Ausdruck für das Gesetz des Weizenkorns: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, so bleibt es allein; stirbt es aber, so bringt es viele Frucht (Joh 12,24).“ An diesem Sonntag werden in den Kirchen üblicherweise die Kreuze verhüllt. Was das Kreuz bedeutet wird sichtbar erst nach Ostern, wenn der Gekreuzigte sich zeigt als der Auferstandene. Ich wünsche allen ein gutes Zugehen auf die österlichen Tage.

Stefan Notz

4. Fastensonntag

Das Evangelium vom vierten Sonntag in der vorösterlichen Zeit spricht vom göttlichen Gericht. Das ist eine Vorstellung, die von vielen Menschen mit Skepsis betrachtet wird. Das „Gericht“ ist aber Bestandteil der Frohen Botschaft. Der Abschnitt aus dem Johannesevangelium (Kap.3,18ff) lässt mich die Rede vom Gericht neu anschauen.  Die entscheidende Aussage ist, dass wer  die Liebe Gottes zurückweist, sich selber richtet. Gott hat keinerlei Interesse, den Menschen zu richten; er ist lauter Liebe, die soweit geht, dass „Gott seinen Sohn für uns hingibt“. Mehr kann Gott uns Menschen gar nicht geben. Die Frage ist, ob ich diese Liebe annehme, so dass sie wirksam und fruchtbar sein kann. Im Bild von Licht und Finsternis bringt der Evangelist dies ins Bild: die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht. Gericht hat also zu tun mit unserer Freiheit und der Haltung zu Gottes Liebe und seiner Geistkraft. Nehme ich seine Liebe an oder verweigere ich mich. In der neutestamentlichen Lesung unterstreicht Paulus das als Theologe: „Gott (…)  hat uns, die wir infolge unserer Sünden tot waren, in seiner großen Liebe (…) zusammen mit Christus lebendig gemacht.“ Gott will retten, nicht richten. Das ist die Frohe Botschaft an diesem  Sonntag, der in der Überlieferung LAETARE genannt wird: Freue dich. Ich wünsche mir und uns, dass diese Freude unser Leben durchdringen kann.

Stefan Notz

3. Fastensonntag

Tempelreinigung. Jesus räumt im Evangelium gründlich auf. Diese Seite kennen wir bei Jesus eigentlich nicht. Aber sein Tun ist nur mit einer tiefen Liebe zum Tempel zu erklären. Der Tempel war für Jesus der Ort, Gott zu begegnen, zu Gott zu beten, mit ihm zu sprechen. So hat sich in der tiefen Liebe von Jesus zum Tempel seine tiefe Liebe zu Gott gezeigt. Der Tempel war nicht irgendein Ort. Der Tempel war der heilige Ort. Klar: beten kann man auch außerhalb bestimmter Orte. Jesus hat oft einsame Orte aufgesucht, wenn er beten wollte. Die Händler hatten den Tempel  zu einer Markthalle gemacht. Nicht, dass hier keine Gottesdienste stattgefunden hätten.  Doch was Jesus sah, das hatte ihn wütend gemacht. Offensichtlich hatte der Handel Überhand  genommen. Der Tempel war für einige zu einer wichtigen Einnahmequelle geworden. Das Gebet wurde immer mehr zurückgedrängt. Gott aber darf nicht für wirtschaftliche Interessen missbraucht werden. Damit provoziert Jesus die Händler. Sie sehen ihre Existenz bedroht. Jesus will die Menschen zu Gott zurückführen. Daher braucht es die Reinigung des Tempels. Jede Erneuerung  - auch in unserer Zeit -  fängt bei mir selbst an. Welche Rolle spielt Gott in meinem Leben? Was ist mein Tempel, mein heiliger Ort?

Stefan Notz

2. Fastensonntag

Glaube ist vor allem ein Weg. Abraham war im Glauben unterwegs. Er versuchte den Gott kennenzulernen, an den er glaubte, von dem er aber nur wenig wusste. Abraham ist der Mensch, der Gott sucht; Abraham sind alle Menschen, die Gott suchen; Abraham ist jeder von uns auf seinem Weg zu Gott, jeder, der unterwegs ist, um seinem Wort zu folgen.  Die durchaus schwierigen biblischen Texte des 2. Fastensonntags  wollen ermutigen im Glauben voranzugehen. Sie möchten das Grundmisstrauen besiegen, dass sich oft in die Gottesbeziehung hineindrängt und auch in die Beziehung zu anderen Menschen und auch in alles, was neu und wahr ist. Abraham war Gott gehorsam und das wurde ihm als Gerechtigkeit angerechnet (Röm4.3). Isaak bleibt am Leben. So grauenvoll die  Erzählung von Abrahams Opfer (Gen 22) auch ist, sie zielt auf Errettung. In Jesus Christus wird die Errettung vom Tod geschenkt. „Ist Gott für uns, wer ist dann gegen uns? Er hat seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern ihn für uns alle hingegeben – wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken?  Glaube ist ein Weg. Wir sind eingeladen ihn als Kinder Abrahams zu gehen. Jesus ist Schritt für Schritt in die Gewissheit hineingewachsen, dass es nichts gibt, was ihn dem lebendigen Gott entreißen könnte, nicht einmal das Sterben. Ich möchte  in dieser österlichen Hoffnung wachsen und den  Glaubensweg gehen.

Stefan Notz

1. Fastensonntag

Die vorösterliche Bußzeit, die Fastenzeit, umfasst 40 Tage. Jesus sagt: „Ich bin gekommen, nicht um meinen Willen zu erfüllen, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat.“ In Wüste bereitet sich Jesus 40 Tage genau darauf vor: den Willen Gottes zu erfüllen. Die 40 Tage in der Wüste waren für Jesus so etwas wie eine Probezeit. Die Fastenzeit kann ich auch für mich als Probezeit deuten. Wie Jesus seinen Weg und seine Botschaft gefunden hat, so kann ich meinen Weg anschauen und mich fragen, was mich trägt und hält im Leben und im Glauben. Probezeit - Parolizeit! Der Geist hat Jesus in die Wüste geführt, um dem Versucher da, wo er am stärksten war, Paroli zu bieten.
Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um, und glaubt an das Evangelium! Die Fastenzeit will eine Zeit der Vorbereitung auf das Osterfest sein. Was ist wirklich wichtig für mich? Worauf kann ich – zumindest auf Zeit - verzichten und die Erfahrung machen, dass es mir gut tut und mir an Lebensqualität nichts fehlt.

Stefan Notz

6. Sonntag im Jahreskreis

Der 11. Februar ist der Welttag der Kranken. Das Evangelium des Sonntags (Mk 1,40-45)  zeigt Jesus in einer sehr menschlichen Geste. Er leidet mit Anderen mit. Es sind Aussätzige, also isolierte Kranke, die Jesu Güte und seine göttliche Macht erfahren. Durch eine Berührung beendet Jesus die Isolation. Wir haben heute Isolierstationen in den Krankenhäusern, aber viel häufiger fühlen sich Menschen isoliert, die lange erkrankt sind und am sozialen Leben nicht oder nur eingeschränkt teilnehmen können. Zum Welttag der Kranken schreibt Papst Franziskus: „Die Bestimmung zur Gemeinschaft ist tief im menschlichen Herzen eingeschrieben. Die Erfahrung der Verlassenheit und Einsamkeit trifft Menschen um so mehr in Zeiten der Gebrechlichkeit, Ungewissheit und Unsicherheit.“ Aussätzige werden sie in Bibel genannt. Isolierte, Ausgegrenzte, am Rand der Gemeinschaft stehende und Unbeachtete gibt es heute in großer Zahl. Glaube kann heilen. Hoffnung kann heilen. Liebe kann heilen und befreien. Das Evangelium von Jesus Christus ist für mich die beständige Einladung und Aufforderung dazu. Jesus berührt mit seiner Hand den Kranken. Er wird geheilt. Wem strecke ich heute meine Hand entgegen?

Stefan Notz

5. Sonntag im Jahreskreis

Es hatte sich schnell herumgesprochen, dass Jesus Kranke heilt. Viele werden aufmerksam  und wollen Jesus sehen und hören. Er aber entzieht sich. Er geht an einen einsamen Ort, um zu beten. Er möchte Kraft tanken für seinen Auftrag das Reich Gottes  zu predigen.  Das Sonntagsevangelium (Mk 1,29-39) stellt neben einer Heilung durch Jesus das Suchen in den Mittelpunkt.  Die Jünger machen sich auf die Suche nach Jesus. Als sie ihn endlich finden, berichten sie ihm: „Alle suchen dich.“ Eng verbunden mit dem Geheiltwerden durch Jesus ist das Suchen, die Suche nach Jesus. Das sagt mir das Evangelium dieses Sonntags: ich muss die Nähe Jesu suchen. Das kann in vielfachen Weisen geschehen: zum Beispiel im Lesen der Hl. Schrift, in einem vertrauensvollen Gespräch oder  in der Feier der Sakramente.  Zum Suchen und Finden lädt das Evangelium mich ein. Am Ende darf ich mich von Gott finden lassen. Diese Frohe Botschaft verkündige ich gerne, auch in dieser Zeit der großen Umbrüche in Kirche und Gesellschaft.  Die Frohe Botschaft ist für mich immer wieder motivierend. Der Apostel Paulus ist sich völlig sicher: „Alles aber tue ich um des Evangeliums willen, um an seiner Verheißung teilzuhaben.“ (1 Kor 9, 23) Jesus suchen und finden. Viel Motivation für mich am Anfang  der neuen Woche.

Stefan Notz

4. Sonntag im Jahreskreis

In der Synagoge in Kafarnaum staunen die Zuhörenden über Jesus. Er lehrt mit Vollmacht, anders als die Schriftgelehrten (vgl. Mk1,21-28). Wenn Jesus spricht, ist nicht nur der Inhalt seiner Rede von Bedeutung; er selbst ist das Wort Gottes für uns. Daher die Wirkmacht seiner Rede. Papst Franziskus hat den dritten Sonntag im Januar zum Sonntag des Wortes Gottes erklärt. Er schreibt: „Wir verspüren die dringende Notwendigkeit, uns mit der Heiligen Schrift und dem Auferstandenen eng vertraut zu machen, der nie aufhört, das Wort und das Brot in der Gemeinschaft der Gläubigen zu brechen. Aus diesem Grund müssen wir zu einer ständigen Vertrautheit mit der Heiligen Schrift gelangen, sonst bleibt das Herz kalt und die Augen verschlossen, da wir, wie wir nun einmal sind, von unzähligen Formen der Blindheit betroffen sind.“ Einige praktische Fragen fügt Papst Franziskus hinzu: „Habe ich das Evangelium in meinem Zimmer griffbereit? Lese ich es jeden Tag, um darin den Weg des Lebens wiederzufinden? Habe ich in der Tasche ein kleines Exemplar des Evangeliums, um darin zu lesen? Habe ich wenigstens eines der vier Evangelien vollständig gelesen? Das Evangelium ist ein Buch des Lebens, es ist einfach und kurz, und doch haben viele Gläubige nie eines von Anfang bis Ende gelesen.“ Mich lädt das Evangelium des Sonntags ein das Wort Gottes zu hören. Ich kann  es täglich wie einen Schlüssel in der Tasche tragen, wie einen Schlüssel zu mir selbst.

Stefan Notz

3. Sonntag im Jahreskreis

Jesus beruft Simon und Andreas, Jakobus und Johannes in seinen Jüngerkreis. So berichtet es das Markusevangelium (vgl. Mk1,16ff). Die vier sind erfahrene Fischer. Fische fangen ist ihr Handwerk. Viel Erfahrung bringen sie mit. Von nun an sollen sie Menschenfischer werden. Die Fischer werden aus ihrer weltlichen Tätigkeit herausgerufen – und sie folgen ohne Zögern dem Ruf Jesu. Der Theologe Hans Urs von Balthasar spricht von „exemplarischen Berufungen“ und will damit sagen, dass es hier nicht um Ausnahmen geht. Auch Christinnen und Christen, die in ihren weltlichen Berufen tätig sind, werden von Jesus Christus in den Dienst des Reiches Gottes gerufen. Das geschieht zum Beispiel wo Menschen sich anderen zuwenden. Der vormalige Bischof Wanke von Erfurt bringt das auf den Punkt in sieben kurzen Sätze:  Ich höre dir zu. Ich gehe ein Stück mit dir. Ich rede gut über dich. Ich bete für dich. Ich teile mit dir. Ich besuche dich. Du gehörst dazu. – Danke für  viele Menschen-fischerinnen und Menschenfischer unter uns!

Stefan Notz

2. Sonntag im Jahreskreis

Mit Beginn dieses Jahres hat in unserem Bistum die Bildung Pastoraler Räume begonnen. Die  Zusammenarbeit von selbständigen Pfarreien sowie der haupt- und ehrenamtlich Seelsorgenden und Mitarbeitenden soll die Verkündigung der Frohen Botschaft unter in Zukunft deutlich veränderten Rahmenbedingungen weiter ermöglichen. Ein richtiges Anliegen, finde ich, aber wieder einmal sind es Strukturfragen, die sich in der Kirche in den Vordergrund drängen. Die Gründe sind offensichtlich: es gibt weniger Menschen, die einen kirchlichen Beruf wählen, weniger Menschen, die ihren Glauben in einer kirchlich gebundenen Weise leben und die Zahl der Katholiken nimmt ab. Strukturfragen sind wichtig, aber sie helfen den Menschen weder bei der Beantwortung der Lebensfragen, noch beantworten sie eine spirituelle Sehnsucht. Mir hilft das Evangelium des Sonntags. Andreas und ein anderen Jünger möchten Jesus kennenlernen. Sie suchen die persönliche Begegnung  und fragen „wo wohnst Du?“. Diese Frage meint: Wer bist du? Und Jesus antwortet: „Kommt und seht!“ (Joh 1,39) Jesus sagt nicht: Glaubt! Hört! Bekehrt euch!, sondern einfach „Kommt und seht!“ Nähe ist entscheidend. Daran hängt es auch in einem Pastoralen Raum. Ohne persönliche Nähe zu Jesus Christus hilft auch kein Pastoraler Raum.

Stefan Notz

Taufe des Herrn

Als Jesus von Johannes im Jordan getauft wird, spricht die Stimme aus dem Himmel: Du bist mein geliebter Sohn. (vgl. Mk1, 11) Jesus stellt sich in die Reihe der Sünder und empfängt die Bußtaufe des Johannes. Dabei kommt der Heilige Geist auf Jesus. Es ist der Geist, der Jesus in die Wüste führen wird zur Vorbereitung und Stärkung seiner Sendung. In der Kraft des Heiligen Geistes verschenkt Jesus sein Leben an uns. Zuerst in Galiläa, dann in Jerusalem und schließlich auf Golgotha. Wir haben die christliche Taufe empfangen. Diese wird in den biblischen Texten auch mit dem Wort Wiedergeburt bezeichnet. Noch einmal von vorne beginnen, den ganzen alten Ballast hinter sich lassen, sich wie neu geboren fühlen. Das geschieht in der Heiligen Taufe. Nur bedenken wir es kaum und erfahren es kaum noch. Am Anfang des Christenlebens steht die Taufe aus dem Wasser und dem Heiligen Geist. Der Geist Jesu eröffnet uns einen neuen, ungeahnten Lebensraum, er eröffnet uns Gott. Neu anfangen in der Kraft Gottes, seines Heiligen Geistes. Wenn wir selbst entdecken, dass die Taufe uns eine einzigartige Chance schenkt, wie neu geboren zu leben, wird dieses Tor der Taufe für andere wieder auffindbar und lädt zum Eintreten ein. Wir dürfen uns unserer Taufwürde neu bewusst werden. Wir sind seine geliebten Töchter und Söhne. Ich wünsche Ihnen und Euch dieses Selbstbewusstsein aus der Taufe.

Stefan Notz